Samstag, 8. Februar 2014

"Wir sind schwanger" oder Schwangerschaftswoche 8-12

Dadurch, dass die Schwangerschaft bevor wir auf Urlaub fuhren noch relativ frisch war, entschlossen mein Mann und ich, noch niemandem von unserem kleinen Geheimnis zu erzählen. Außerdem war zumindest ich richtiggehend verunsichert ob der vielen negativen Meldungen, die sich in den letzten Monaten in meinem Bekanntenkreis zum Thema Schwangerschaft gesammelt hatten. 
Da war durchgehend von Fehlgeburten die Rede, von „Scheinschwangerschaften“ und von schweren Blutungen und dementsprechendem Zwang, die gesamte Schwangerschaft in einem Bett zu verbringen, bei welchem vorzugsweise der Kopf niedriger lag als die Beine. 
Man kann also eigentlich sagen, dass ich mit allem rechnete, nur nicht damit, dass alles okay sein würde.

Wir wollten also mit der Meldung an alle Verwandten und Freunde warten, bis wir den ersten Arzttermin erledigt und somit die schriftliche Bestätigung in Händen hielten. Dieser erste Termin fand am Tag nach Rückkunft aus dem Urlaub statt. Wir erinnern uns: mein Allgemeinzustand war, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Kotzen, und auch ansonsten fand ich an dem Schwangerschaftsgedanken eigentlich noch nichts wirklich Prickelndes.

Wir wurden also gemeinsam ins Besprechungszimmer gerufen, und die Gynäkologin begrüßte uns mit einem fröhlichen: 
„So, die Periode ist also ausgeblieben, ja? Wie fühlen wir uns denn?“. 
Ich begann also von meinen Kopfschmerzen, meiner Übelkeit, meinem Ekel vor fast allen Lebensmitteln zu erzählen, und brach dabei unvermittelt in Tränen aus. 
Die Ärztin sah mich an, dann meinen Mann, lächelte und meinte nur: 
„Ich würde also sagen, Sie fühlen sich schwanger.“ 
Diese Aussage brachte mich noch mehr zum Heulen.

Natürlich fügte sie schließlich hinzu, dass das alles normal sei und wieder vergehen würde, meistens in der 12.-13. Woche. Ich würde mich bald an diese Worte erinnern und sie verfluchen. Schließlich meinte sie: 
„Na dann schauen wir uns das mal aus der Nähe an, oder?“
So ging ich in die Umkleide, entledigte mich meiner Klamotten, während mein Mann bei der Ärztin blieb und darauf wartete, auch ins Untersuchungszimmer gehen zu dürfen. Was ich ehrlich nicht wusste war, dass der 1. Ultraschall, zumindest in diesem frühen Stadium der Schwangerschaft, intravaginal durchgeführt werden würde. Man stelle sich also kurz vor: ich auf dem Untersuchungsstuhl, die Beine links und rechts voneinander gespreizt aufgebahrt, von vorne also beste Sicht auf meine Intimzone, und dann kommt die Ärztin rein, im Schlepptau mein Mann.

Natürlich hatten wir uns schon oft nackt gesehen, und natürlich hatte er meine intimste Gegend auch bereits des Öfteren aus nächster Nähe betrachtet. Dennoch weiß ich bis heute nicht, wer schockierter oder überraschter war: er oder ich. 
Ich erstarrte weil ich mir urplötzlich bewusst wurde, wie dämlich diese Position wohl aussehen muss, und er, weil er vermutlich nicht damit gerechnet hatte, mich so exponiert auf dem Untersuchungsstuhl vorzufinden. 
Die Ärztin löste diese eigenartige Situation relativ rasch mit einem: „bitte gehen Sie zum Kopfende, von dort haben Sie auch den besten Blick auf den Ultraschall“ auf. 
Gesagt getan, so stand er dann also neben mir und betrachte verwundert das Untersuchungszimmer. 
Den nächsten Schock hatte er, als er das Ultraschallgerät sah. Er wusste ebenso wenig wie ich, dass der Ultraschall an diesem Tag „von innen“ erfolgen würde. Ich bezweifle sogar, dass er bis zu dieser Minute überhaupt wusste, dass es so was gibt. Man kann sich also die Entgeisterung in seinem Gesicht vorstellen. Es war, als würde die Ärztin plötzlich ein Schlachtmesser in der Hand halten und damit über meinem Bauch herumhantieren. Und erst sein Gesichtsausdruck, als sie das Teil in mich einführte! Ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden, bis die Ärztin schließlich verkündete: 
„Aja, na da kann man ja schon einiges sehen! Das hier ist der Dottersack, und hier, das ist ihr Baby. Es hat momentan eine Größe von ca. 11mm, und sehen Sie hier, das Flattern? Das ist der Herzschlag.“
Stille.
Noch nie hatte mich etwas so dermaßen überwältigt und vor allem vergessen lassen, in welch exponierter Stellung ich mich eigentlich gerade befand. Und auch mein Mann war hin und weg. Tränen liefen mir über das Gesicht, und auch meine bessere Hälfte musste sich offenbar zusammen nehmen, um nicht loszuheulen. Es war ein zauberhafter Moment. All die Übelkeit und das Unwohlsein waren plötzlich Vergangenheit, und wir starrten wie gebannt auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes. 
Wir hatten das also produziert. Betrunken und nichtsahnend, dass der erste Schuss ein Treffer sein würde. Und nun saßen wir gemeinsam hier und ein Mini-mini-Herzlein schlug auf einem Bildschirm, und das aller irrste: in mir drin! Es war ein Wunder.

Nach der Untersuchung wurden noch Blut angenommen und ein paar Tipps gegeben. Vor allem in Bezug auf meine zukünftige Ernährung. Ich möchte hier offiziell feststellen, dass ich meine Frauenärztin spätestens ab dem Zeitpunkt wirklich zu schätzen wusste. Sie sagte Dinge wie:
„Essen Sie was Sie wollen und wonach Ihnen ist! Wenn Sie Marshmallows wollen, dann essen Sie diese! Ihr Körper sagt Ihnen schon, was Sie brauchen.“ 
Oder auch:
„Vertrauen Sie Ihrem Körper. Wenn Sie dies beherzigen, wird es Ihnen auch bald wieder gut gehen“. 
Abschließend erhielt ich noch Schwangerschaftsvitamine und ein Bild des Babys, damit waren wir entlassen. Nächster Termin SSW 12. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg…

Schließlich entschieden wir uns, es zumindest mal den Eltern zu sagen. Dazu gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Meine Schwiegereltern freuten sich in der betont gelassenen und unemotionalen Weise, wie wir es gewohnt sind. Und meine Mutter war das genaue Gegenteil. Sie flippte förmlich aus (dabei hat sie ja schon zwei Enkelkinder) und freute sich wie ein kleines Kind, dass wieder ein Baby in die Familie kommt.

Spannender waren die Reaktionen diverser Freunde und Freundinnen. Und ohne Partei ergreifen zu wollen: mein Freundeskreis ist einfach der coolere. 
Nichts gegen Menschen die am Land aufgewachsen sind, aber an nachfolgenden Geschichten werdet ihr schon erkennen, was ich meine. 
Daher will ich die Antworten meiner FreundInnen auch nur kurz anführen. Meine beste Freundin freute sich gelinde gesagt einen Haxen aus, und versprach sofort, uns mit einer ganzen Menge Kinderspielsachen zu versorgen. Sie sähe das als ihre Lebensaufgabe, als lustige Tante. Und zwar ganz nach dem Motto: je lauter und nervender das Spielzeug für die Eltern, desto besser. Außerdem verlangte sie von mir, sie niemals zu zwingen, meinen Bauch anzufassen. Dinge die sich da drin bewegen, mit Ausnahme von Verdauungsvorgängen, fände sie unheimlich und erinnere sie zu sehr an Aliens. 
Ich kann jetzt schon verraten: ich konnte sie Ende 6. Monat dank dem, wie sich bald herausstellen sollte, megalebhaften Kind in mir, das zudem noch den Drang hatte, sich auch sichtlich bemerkbar zu machen, auf genialste Art und Weise schockieren.

Der Rest des Freundeskreises reagierte, nun sagen wir gemischt, aber alle positiv, auf ihre eigene verschrobene Art und Weise. Eine Freundin brach in Tränen aus und schluchzte:
“Oh mein Gott, erst heiratest du, jetzt bekommst du ein Kind, und ich? Ich werde übrig bleiben….aber ich freue mich so für euch.“ 
Ein anderer Freund meinte gerührt: 
„Jawohl!! Gut gemacht.“ 
Es gab auch die eine oder andere Stimme die meinte: 
„Das ging jetzt aber flott.“ 
Da man das ja nun wirklich nicht verneinen konnte, wurde die „erster Schuss ein Treffer“-Geschichte zum absoluten Renner und veranlasste viele im Freundeskreis, nochmal über ihre mehr oder weniger fraglichen Verhütungsmethoden nachzudenken.

Der Freundeskreis meines Mannes verhielt sich im Gegensatz dazu typisch ländlich. Eine Reaktion wird mir für immer im Gedächtnis bleiben, und nicht nur weil es mir zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon beschissen ging, sondern auch weil ich es bis heute eine bodenlose Frechheit finde, was sich manche Menschen herausnehmen.

Es war bei uns zu Hause, also in meinem eigenen Haus, meinen eigenen vier Wänden. Besagter Freund kam auf einen Sprung vorbei, warum weiß ich nicht mehr. Nachdem wir ihm die frohe Botschaft verkündeten, wollte er zunächst wissen, wie weit ich denn sei, denn „man sollte da ja vorsichtig sein. Denn wenn du es dann doch noch verlierst wäre das ja ziemlich doof, dass ich dir schon zu deinem Glück gratuliert habe“. 
Das war noch nicht das Schlimmste. 
Es folgten ein paar belanglose Kommentare zu Frauen, die die Hälfte ihrer Schwangerschaft im Krankenhaus verbringen musste, Fehlgeburten und anderer wunderbarer Geschichten, die jede werdende Mutter in diesem Stadium unbedingt hören möchte. 
Nachdem diese Tiraden beendet waren, verließ mein Mann kurz das Zimmer um etwas zu holen. 
Besagter Bekannte drehte sich zu mir um und meinte auf eine süffisant machohafte Art und Weise: 
„Na, mit Karriere ist es jetzt auch erstmal vorbei. Jetzt wirst du mal 2 Jahre daheim bleiben und dann kommt vielleicht das zweite Kind…“ 
Ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln und meinte nur: 
„Äh, nein, das glaube ich nicht mein Lieber.“ – 
„Ach so? Na wirst schon sehen…“ – 
„Bei uns bleibt der Mann zu Hause, und ich gehe arbeiten beziehungsweise teilen wir uns die Karenz. Und ich gehe weiterhin meinem Beruf nach.“ – 
„Wie bitte? Du lässt dein Baby alleine daheim? Ich meine, stillen musst du ja auch, mindestens 1 Jahr, am besten länger!“ – 
„Ich MUSS gar nichts, und außerdem ist das Baby nicht alleine sondern bei seinem Vater. Und zwei Jahre bleibt von uns sowieso keiner zu Hause, da wir vorhaben, unser Kind mit 1 Jahr in eine Kindertagesstätte zu geben…“ – 
„So früh wollt ihr das arme Kind schon weggeben?“

Der Dialog ging noch eine Weile in dieser Art und Weise weiter, bis ich schließlich wutentbrannt das Zimmer verließ, nicht ohne froh zu sein, dass besagter Bekannte kurze Zeit später auch das Weite suchte.

Ich war schockiert und wusste nicht genau, wie ich jetzt reagieren sollte. Da kommt ein Mensch zu Besuch und will uns erklären, wie wir gefälligst alles zu machen haben und außerdem, dass das Leben der Frau mit Kindern sowieso vorbei ist, Karriere geht ohnehin nicht und Mann beim Kind zu Hause, na das kommt ja einer Vernachlässigung höchstens Grades gleich. Ich war sprachlos und hatte anschließend zu allem Überfluss auch noch einen handfesten Streit mit meinem Mann. Nicht, weil dieser nicht auf meiner Seite gewesen wäre. Nein, einfach weil ich sauer war, hormongesteuert, mir übel war und offenbar mein Leben jetzt vorbei sein würde. Und vor allem war ich sauer, dass solche Menschen mit meinem Mann befreundet waren.


Außerdem läutete dieser Vorfall eine Phase ein, von der ich in keinem Buch oder Ratgeber jemals zuvor gelesen hatte. Jedenfalls nicht in diesem Ausmaß und dieser Intensität: die Verdrängungsphase.

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