Samstag, 8. Februar 2014

Die Verdrängungsphase oder SSW 13 ff.

Es war ein Sonntag. Ich war bereits aufgestanden gewesen, hatte Tee getrunken, eine Kleinigkeit gegen die unaufhörliche Übelkeit gegessen, den leichten Kopfschmerz bemerkt, Musik gehört und mich gefragt, wie schlimm das Kopfweh heute wohl noch werden würde und ob ich nach dem Mittagessen kotzen würde oder nicht. 
Dann war er auf einmal da. Der Gedanke, das Gefühl, ja die Gewissheit: ich will nicht mehr.

Ich stand wie paralysiert auf, ging wieder zurück ins Bett, kuschelte mich unter die Decke und begann zu schluchzen und zu weinen. 
Mein Mann realisierte erst ein paar Minuten später, dass ich aus dem Schlafzimmer wohl nicht mehr zum Frühstückstisch zurückkehren würde. Keine Ahnung was in ihm wohl vorgegangen sein mag, als er mich so sah. 
Was in mir vorging wusste ich dagegen ganz genau. Ich wollte nicht mehr schwanger sein. Ich hatte es satt. Ich war müde, ausgelaugt, mir war übel, ständig hatte ich Kopfschmerzen, die Menschen rund um mich herum sahen in mir nur noch „die Schwangere“. Nicht mehr den Menschen, die Freundin, die qualifizierte Frau. Ich wurde reduziert, und zu allem Überfluss wurde mir auch noch suggeriert, dass ich ab sofort nur noch Mutter sein würde. 
Meine Beziehung würde den Bach runter gehen, mein Körper ausgeleiert und unansehnlich werden. Meine Karriere würde sich in Luft auflösen, mein Leben würde sich nur noch um die Themen „stillen, wickeln und Babykram im allgemeinen“ drehen, Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten waren für immer und ewig abgeschrieben, genauso wie hemmungsloser, guter Sex und Zeit für meinen Mann und/oder mich selbst. 
Ja, mein Leben war mal eben so vorbei. Das sagten sie mir alle. Das hörte ich von allen. Sonst nichts. 
Das Rauschen in meinem Kopf wurde unerträglich laut, ich konnte regelrecht fühlen, wie schwabbelig mein Bauch und mein Busen sein würden, sah mein Leben an mir vorbei ziehen und wäre am liebsten einfach abgehauen.
Mein Mann saß hilflos neben mir und fragte unschuldig: “was ist denn los?“

Meine genaue Reaktion weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich mich abdeckte und ihm all das an den Kopf warf. Dass seine Freunde Idioten seien, das mein Leben vorbei wäre, dass er gut reden hätte und stolz herum laufen könnte, denn er würde nicht ausgeleiert und musste nicht ein Baby an seinem Busen stillen, weil es nämlich die Gesellschaft so verlangte. Er wäre nicht die Rabenmutter, weil man das Kind in eine KITA geben möchte, er wäre nur derjenige, der eine Affäre hätte, weil er es daheim nicht mehr aushalten würde mit seiner ausgeleierten Frau mit Hängebusen, die keine Karriere mehr hat und nur noch über vollgeschissene Windeln und das beste Kinderwagenmodell sprechen konnte.

An irgendeiner Stelle war ich wohl aufgesprungen und hatte lauthals gebrüllt, dass ich nicht mehr wolle. Das es reiche. Das ich keine Lust darauf hätte, und einfach nicht mehr will.
Er wollte mich trösten, aber das konnte er nicht. Er hätte es so oder so nicht gekonnt, egal was er gesagt oder getan hätte. Das war mein Kampf, mit dem er in Wahrheit gar nichts zu tun hatte. 
An einem Punkt starrte er mich an und schrie: „Willst du jetzt abtreiben?“ und auf eine schockierende Weise war ich in diesem Moment nicht sicher, ob ich das nicht wirklich wollte.

Ich weiß, es hört sich schrecklich an. Vielleicht denkt sich jetzt die eine oder andere: oh mein Gott, was ist diese Frau bloß für ein Psychowrack.
Dennoch bin ich mir sicher, dass sich einige von euch in meinen Schilderungen wiederfinden werden.

Diese Phase war hart und ich ging an meine Grenzen. Ich saß eine Woche nach diesem Vorfall bei meiner Gynäkologin und brach in Tränen aus. Meine Mutter rief ich an um ins Telefon hineinzubrüllen, dass sie ja sowieso keine Ahnung hätte was ich durchmachen würde. 
Doch meine Mutter hatte eine Ahnung und nahm meine Ausbrüche gelassen und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit hin. 
Vor allem lernte ich von ihr das Eine: grenze dich in der Schwangerschaft ab. Mach die Dinge, wie sie für dich selbst gut sind. Kein Ratgeber der Welt und auch keine andere Mutter der Welt kann dir sagen, was für dein Baby, deine Ehe oder dich das Beste ist. Es wird immer Menschen geben, die glauben sie wissen es besser, die dir Tricks und Tipps geben wollen und es vermutlich gut meinen damit. Aber sie machen es in den meisten Fällen nicht besser. Hör auf deinen Instinkt. Menschen, die nicht gut sind für dich (und das findet man in einer Schwangerschaft schneller heraus als einem lieb ist): meide sie.


Diese Phase zu überwinden war nicht einfach, und es konnte mir auch niemand damit helfen. Meinem Mann sagte ich, dass ich ab sofort nicht mehr über die Schwangerschaft reden wollte, und dass er dies zu akzeptieren habe. Er tat dies und ich weiß jetzt, wie schwer ihm das damals fiel. Aber anders hätte es für mich nicht funktioniert. Ich musste dieses Dilemma mit mir selbst ausmachen. Alle, die mit mir über die Schwangerschaft reden wollten, blockte ich ab. Mit einigen Freundinnen tauschte ich mich via Mail über meinen Zustand aus, und das fiel mir bedeutend leichter als das persönliche Gespräch. Ich konzentrierte mich auf meine Arbeit, und das war auch notwendig, denn wie sich herausstellte wartete genau in dieser furchtbaren Phase die nächste Hürde auf mich....

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