Samstag, 15. November 2014

Mann, Frau, Kind. We are family - yeah!!!

Schließlich und endlich ist er also gekommen. Der Tag der Geburt. Wir waren gelassen, wir haben uns gefreut, alles lief gut und bald schon waren wir zu Hause.

Nichts desto trotz möchte ich an meinen vorigen Post anschließen.
Man kennt sich ja selbst immer am Besten, dennoch dachten während meiner Schwangerschaft 90% der Bekannten sie würden mich besser kennen.

Das Bild, dass die Gesellschaft von Müttern hat, ist offenbar unumstößlich verbunden mit:
- dem dringenden Wunsch, nur noch zu Hause zu sein und sich um das Kind zu kümmern
- wieder in den Arbeitsmarkt zurück zu kehren ist in den ersten paar Jahren einfach nicht vorgesehen und auch nicht von der Mutter gewünscht, da sie:
- vollkommen in der Mutterrolle aufgeht und gar nichts anderes mehr will als 24 Stunden pro Tag für das Baby da zu sein
- Papa war zwar bei der Erzeugung dabei, ist aber als Betreuer des Babys nur in Ausnahmesituationen gern gesehen. Der Großteil der Verantwortung liegt bei der Mutter, und die will das auch so.
- Eine Frau die wieder arbeiten gehen will oder gar andere Hobbies hat und über andere Dinge reden kann als das Baby: mit der stimmt doch irgendwas nicht bzw. leidet das Baby ganz bestimmt sehr darunter. Immerhin hat man als Mutter nichts anderes zu wollen als, jawohl, das Baby aufziehen.

Mag polemisch sein. Ist aber, wie ich die Welt erlebe. Und wehe man spricht als Mutter davon, dass man auch noch etwas anderes sein will, als "Mama". Ganz fataler Fehler. Nur andere weltoffene und ehrliche Mütter verstehen das. Für den Großteil ist es ein No-go solche Wünsche und Bedürfnisse auch nur zu formulieren. Das bewusste Wollen von Familie, Beruf und Paar-Sein wird oftmals gleichgesetzt mit Rabenmutter und Kindesvernachlässigung. Eine (zugegeben ältere Arbeitskollegin, die bald in Pension geht) meinte doch tatsächlich: "Also ich hätte mein Kind ja nicht so im Stich lassen können". Dass es für ein Kind mehrere Bezugspersonen geben kann ja sogar soll, im Besten Fall Mama und Papa und Oma's, das wird ausgeblendet. Sogar der Papa wird mit einer Vehemenz und Konsequenz von den meisten Menschen einfach nicht für voll genommen, dass ich schon geneigt war eine Männerinitiative zum Thema "Gleichberechtigung der Männer in der Kindererziehung/-betreuung" zu gründen.

Mittlerweile lächle ich ja milde. Außer ich habe ein Glas Wein getrunken. Oder zwei. Dann lass ich mich auf Diskussionen ein. Ja, ich bin Mama und trinke Wein!!!!

Und daher gleich der Schwenk zu mir, und ich hoffe, einigen anderen Müttern aus der Seele zu sprechen oder Gleichgesinnte zu finden.

Meine Einstellung zu Kindererziehung, Karenz und mehr hat sich nach der Geburt nicht verändert. Viele waren der Meinung, dass dies passieren muss, also die Veränderung meiner Ansichten, aber sie hatten Unrecht. Sie dachten, dass ich plötzlich nicht mehr gerne arbeiten gehen würde, keine Fort-und Weiterbildungen mehr absolvieren will, sondern sich mein Selbstverständnis um 180 Grad wendet und ich in einer von der österreichisch-konservativen Gesellschaft geprägten Mütterrolle komplett aufgehe: also nur noch Windeln wechseln, füttern, "dudu-dada" sagen und Schlaflieder singen will (kindgerechte, bloß keine "Erwachsenenmusik"). Sie kennen mich eben nicht so gut wie ich mich. 

"Wenn das Baby erst mal da ist, willst du gar nicht mehr arbeiten gehen":
Die ehrlich Antwort?
Die ersten 3 Wochen hätte ich ohne meinen Mann nicht überstanden. Ich habe mich erholt, habe gestillt und geschlafen. Er hat gewickelt, mich umsorgt und sich um den Haushalt gekümmert (und zwar ganz, da ich mich ja erholt habe).
Danach war ich allein. Schock. Ich hatte solche Panik davor, und mittlerweile einen Riesenrespekt. Vor allem vor allen AlleinerzieherInnen. Wie macht ihr das????
Dann vergingen 2 weitere Wochen, ich hatte mich an das tagsüber alleine sein mit Baby gewöhnt. Und dann kam sie. Schleichend, obwohl vorhersehbar: die Langeweile.
Natürlich kümmere ich mich gerne um meinen Sohn, natürlich liebe ich meinen Sohn, aber auf diese Langeweile war ich wirklich nicht vorbereitet.
Um den Kreis zu schließen: ich hatte Recht. Ich bin einfach keine von diesen Frauen, die gerne mit Kind zu Hause sitzen und dort voll und ganz in ihrer Rolle als Mutter aufgehen.
Im Gegenteil. Mir fiel die Decke so schnell auf den Kopf, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah.

Trotzdem sehe ich mich als gute Mutter. Ich gestehe es mir ein, dass ich das "nur zu Hause sein" nicht kann. Gleichzeitig möchte ich es gar nicht abwerten, im Gegenteil. Ich habe einen Heidenrespekt vor jeder Frau, die wirklich und ganz zu Hause bleibt und das auch will. 

Dennoch: für mich ist es nichts. Ich will und wollte mehr. Für uns klappt die Rollenverteilung andersrum wunderbar. Mein Mann ist seit unser Sohn 4 Monate alt ist zu Hause in Karenz und wird es bis zum 14. Lebensmonat bleiben. Ich arbeite 30 Stunden und habe außerdem noch freiberufliche Projekte auf Laufen. Er genießt die Zeit zu Hause, macht viel im Haus (ja, Hausarbeit. Natürlich. Das war schon vor unserem Kind so), hat den größten Spaß mit unserem Sohn, und wenn er "müde, ausgelaugt und am Ende ist" nach einem langen Tag komme ich gerade von der Arbeit nach Hause und übernehme. Wir sind ein eingespieltes Team. Nie bin ich so gerne nach Hause gekommen, nie hatte ich soviel Geduld, Spaß und Freude an unserem Sohn wie jetzt. Und an den Wochenenden? Da leben wir manchmal "die österreichische Tradition": Mann bastelt am Haus und baut und werkt herum, Frau kümmert sich ums Kind und kocht und putzt. Und wisst ihr was? Ich liebe es!

Freitag, 25. April 2014

Diskriminierung oder Gleichberechtigung?

In der spannenden Odyssee namens Schwangerschaft durften wir ja in Bezug auf „Gleichberechtigung“ oder „Diskriminierung“ schon viel erleben. Angefangen von der Tatsache, dass man als Frau ab dem Beginn des „Outings: ich bin schwanger“ nicht mehr als volles Mitglied der Gesellschaft gilt, sondern eben nur noch als diejenige, die das Kind austrägt, über diverse Menschen, die sich über die Art und Weise wie man sich Kindererziehung teilen will, echauffieren. Ich erinnere nur an die beliebten Sätze: „Du kannst doch als Mutter dein Kind mit ein paar Monaten nicht einfach so abgeben!!“ (kam als Reaktion auf die Karenzzeit meines Mannes), bis hin zu einem Experten der Arbeiterkammer welcher süffisant meinte: „na wenn Sie unbedingt ein solches Modell wählen wollen….“. Man hat es nicht einfach.
Mittlerweile ist ein Ende der Schwangerschaft in Sicht, bald ist es geschafft, aber die Kommentare und Meldungen werden nicht weniger. Außerdem fallen mir immer öfter „falsche Beteiligungen an der Kindererziehung“ auf, von denen ich einfach nicht sicher bin, ob sie diese entstehen, weil die Frau die Kinder nicht loslassen kann und damit dem Mann nicht einmal den Hauch einer Chance gibt, sich wirklich produktiv einzubinden, oder ob es falsche „Gleichberechtigung“ von Männern ist.

Ein Beispiel.
Mein Cousin. Ein Sohn, 4 Jahre, obwohl seine Frau mehr verdient als er blieb trotzdem sie 2 Jahre in Karenz zu Hause. Warum? O-Ton mein Cousin: „ich wollte so gerne in Karenz gehen, aber mein Arbeitgeber meinte, dass ich dann zwar wieder zurückkehren könnte, aber vermutlich meinen Job nach 2 Monaten verlieren würde.“
Das seine Frau ihren Job aufgrund der Schwangerschaft verloren hatte, mit Müh und Not einen neuen fand und der Wunsch nach einem 2. Kind erstmal auf Eis lag damit man sie nicht wieder aufgrund einer Schwangerschaft kündigen kann, das beachtet keiner. Schließlich ist sie ja die Mutter. Aber er wäre ja eh soooo gerne.
Ganz ehrlich? Wenn ich wirklich „soooo gerne“ zu Hause bei meinem Kind bleiben möchte, dann tue ich es. Wir Frauen sind genau dem selben Risiko ausgesetzt, unseren Job aufgrund von Kinderbetreuungszeiten zu verlieren, wie jeder Mann auch. Aber selbst wenn man als Frau mehr verdient, sind unsere Jobs offenbar nicht so viel wert wie die der Männer.

Anderes Beispiel.
Ein Bekannter. Im Gespräch darüber, dass mein Mann ein knappes Jahr zu Hause bleiben wird und ich nur zwei Monate meinte dieser: „Das ist ja toll. Ich wäre ja auch so gerne eine Zeitlang in Karenz gegangen, aber das ging halt aufgrund meiner Selbständigkeit einfach nicht.“
Resultat: mittlerweile sind es zwei Kinder, an den Wochenende schläft der gute Herr gepflegt aus, und wenn es um Grenzen setzen bei Kindern geht ist er eben der „Funfaktor“, die Mama die, die Konsequenzen setzt. Da soll man als Frau nicht frustriert sein? Ich sage ja immer, sie sollte ihn am Wochenende beinhart aus dem Bett treten. Dazu fehlt ihr aber die Energie. Ich schätze nach 5 Jahren Kampf gibt man einfach irgendwann auf.

Bei meinem Mann und mir sind die Rahmenbedingungen mittlerweile fast unwiderruflich fixiert. Die Arbeitgeber wissen Bescheid, die Familie weiß Bescheid, ein Zurück gibt es nicht mehr, und das ist gut so.
Zuletzt im Krankenhaus wurde wieder versucht uns einzureden, dass nur die Mutter in den ersten Lebensmonaten wichtig für das Baby ist. Zusätzlich dazu kam der „Hinweis“: „Sie werden sehen, wenn das Baby mal da ist dann wollen sie gar nicht mehr arbeiten gehen.“
Gut, ich habe mich ja mittlerweile daran gewöhnt, bereits jetzt, Wochen vor der Geburt unseres Sohnes, eine Rabenmutter zu sein. In der letzten Zeit bin ich sogar so weit gekommen, darüber jede Menge Witze zu machen, die übrigens auch nicht jede/r versteht.

Ich denke, dass sich in Fragen der Kinderbetreuung bzw. der Kinderbetreuungsmodelle in Österreich nicht sehr viel ändern wird, wenn sich nicht endlich ein neues Bild im Kopf unserer Gesellschaft durchsetzt. Es gibt mehr, als nur die Mutter für Kinder. Der Vater spielt eine ebenso wichtige Rolle. Ausreden wie der Verdienst und der Jobverlust können auf Dauer einfach nicht gehalten werden! Denn diese Argumente gelten für uns Frauen genauso. Wenn ich bei meinen Kindern sein will, ich einen aktiven Part von Anfang an einnehmen will, dann muss ich ohnehin Abstriche machen. Ein Kind bekommen und dann so tun als würde sich nichts ändern ist nicht nur illusionär sondern fast schon fahrlässig.
Nicht durch das Reden über „gemeinsam“ werden sich Werte und Ansichten ändern, nur durch das gemeinsame „TUN“ wird sich auf Dauer die Blockade in den Köpfen der Menschen lösen.
Längst ist bewiesen, dass ein im Idealfall von Anfang an mehrere (nicht zuviele!!) Bezugspersonen haben sollte. Im Idealfall sind es mindestens zwei: Mutter und Vater.

Ist denn das so schwer zu verstehen?

Mittwoch, 2. April 2014

SSW 34: der Moment, an dem man einfach die Schnauze voll hat. Und es nicht ändern kann.

Es mag hart klingen. Es mag auf einige Menschen irritierend wirken. Es mag für den/die ein oder andere/n vielleicht auch unverständlich sein.
Aber ich bin an einem Punkt angekommen, an dem es einfach nur reicht und ich nichts daran ändern kann.
Meinetwegen gibt es Frauen, die in den letzten Wochen der Schwangerschaft tatsächlich glücklich, vor Vorfreude strahlend und voller Energie herumlaufen. Aber mal ganz ehrlich? Ich habe sie noch nicht getroffen, und um ganz ehrlich zu sein: ich glaube auch, dass das ein Mythos ist.
Das ganze Gewicht des mittlerweile zu einer wirklich stattlichen Größe angewachsenen Bauches ist kaum mehr zu ignorieren. Dabei habe ich nicht mal viel zugenommen! Wenn man jedoch Pensionisten und Pensionistinnen plötzlich ihren Bewegungsdrang und ihre Möglichkeit, radfahrend Besorgungen machen zu können neidisch ist, dann wird es bedenklich. Neulich habe ich mich dabei erwischt, wie ich versonnen einem gut 80-jährigen dabei zugesehen habe, wie er in Schneckentempo die Straße entlang fährt. Genaugenommen hat er gewackelt, kein Wunder bei dem Tempo. Aber wenigstens kann er noch Radfahren!
Ich freue mich schon, wenn ich nach dem Abschiedskuss jeden Morgen von meinem Mann in einem Stück und ohne gröbere Atemausfälle die 15 Treppen zum Erdgeschoss wieder raufsteigen kann. Momentan grenzt es an ein Wunder, wenn ich nur eine Pause machen muss.
Gestern wollte ich zu Hause etwas Yoga machen. Ganz einfach, weil das gute Baby so dermaßen hoch oben liegt, dass es mir nicht nur regelmäßige Rippenprellungen verpasst sondern ich außerdem den ehrlichen Verdacht hege, dass meine Rippen langsam aber sicher angeknackst und schließlich verdrängt werden. Mag vielleicht anatomisch nicht möglich sein. Aber es fühlt sich so an.
Jedenfalls, einige Yogaübungen verhelfen (und das kann ich bestätigen) dazu, das Baby etwas weiter in das Becken hinab zu senken. Oder zumindest hat man das Gefühl.
Ich steh also schwer motiviert, nachdem ich 20 Minuten gebraucht hatte, mich von der Couch zu lösen, da und mache einen auf Yogaatmung und Übung brav ausführen. Leider habe ich die Rechnung ohne meinen veränderten Schwerpunkt gemacht. Glaubt mir, eine fallende Schwangere kann man so schnell nicht auffangen. Und ein schöner Anblick war es obendrein auch nicht, mal abgesehen von meinen Flüchen und dem Heulkrampf.
Ja, ich heule momentan viel rum, und ich stehe dazu. Da ging es nun einige Zeit bergauf, alles war halbwegs fein, ruhig und ausgeglichen, und dann das.
Zuerst der Energieverlust, dann der Appetitrückgang, dann der Magen-Darm-Infekt, dazu das „nicht-mehr-schlafen-können“ und dann auch noch eine undefinierbare Zahnfleischentzündung.
Überall starren einen die Menschen an als würde man sofort und auf der Stelle in aller Öffentlichkeit entbinden, und man selbst muss einsehen, dass nun, im Endspurt, auch die weitesten T-Shirts nicht mehr über den Bauch reichen.
Mittlerweile bin ich sogar auf die Schwester meines Mannes eifersüchtig! Die kann immerhin bei irgend so einem Charitylauf mitmachen. Wenn gleich mitmachen in ihrem Fall wirklich fragwürdig ist, beträgt ihr Laufpensum maximal 2 km in 45 Minuten, aber ja, selbst das würde mir schon reichen.
Würde ich da mitmachen, würde ich 1. Für Verwunderung und Gelächter sorgen und 2. Wirklich die allerletzte im Ziel sein. Selbst spazieren gehen macht keinen Spaß mehr, wenn einen wirklich alles überholt.
Der Gipfel ist, dass selbst die Katze mittlerweile einen Riesenbogen um meinen Bauch macht. Er scheint ihr nun endgültig unheimlich zu sein.
Und jede Frau die behauptet, diese Zeit sei „magisch“, soll mir mal erklären, was an der Tatsache, dass ich meine Fußspitzen nicht mehr sehen kann, baden wirklich nur mit Handy am Wannenrand um notfalls „Rettet die Wale“ alarmieren zu können und der Unfähigkeit, irgendwelche hinuntergefallenen Gestände noch problemlos aufheben zu können, schön sein soll.

Und wenn ich noch ein einziges Mal den Satz „wenn da Baby da ist, ist alles vergessen“ hören sollte, dann starte ich einen Amoklauf! Vermutlich sehr langsam, aber der Wille zählt, nicht wahr?

Montag, 17. März 2014

SSW 28: Andere Frauen…

Es ist nun wirklich kein Geheimnis: ich bin kein besondern großer Fan von Frauen, und andere Frauen auch nicht von mir. Ich will damit nicht sagen, dass ich Freundschaften zum weiblichen Teil der Bevölkerung von vornherein ausschließe. Gar nicht. 
Doch leider musste ich schon viele Enttäuschungen auf dem Gebiet der Frauenfreundschaften aushalten, außerdem nerven mich das Herumgezicke, die gegenseitige Eifersucht und allen voran die Unehrlichkeit, das „hintenrum“, einfach gewaltig. Wobei man natürlich nichts pauschalisieren kann. Es gibt immer wieder Ausnahmen! 
Generell halte ich es jedoch lieber wie die Männer: gerade heraus, ohne Umschweife, auch mal „zu hart“ wenn man will, aber zumindest weiß jede und jeder, woran er/sie ist. Das ist im übrigen auch der Grund, warum man mich in der Frauenwelt nicht besonders mag. Und auch sensible Männer reagieren gerne mal verstört auf meine Art. Wie auch immer habe ich gelernt, damit umzugehen, und es stört mich auch nicht weiter.

In einer Schwangerschaft steht man jedoch vor der Herausforderung, in allen angebotenen Kursen sowie bei allen Infoabenden fast ausschließlich mit Frauen konfrontiert zu sein. Das war auch der Grund, warum ich es bis zuletzt vermieden hatte, irgendwelche (unnötigen) Kurse zu besuchen (ganz ehrlich: „Wehensingen“? Man nenne mich unaufgeschlossen, aber irgendwo geht’s dann zu weit…“). Ganz vermeiden lässt es sich dann aber nicht, zumal ich ja mir und dem ungeborenen Kind was Gutes tun will, und die Heimyoga-DVD dann letztendlich doch nur zur Zierde herumliegt. 
Überraschenderweise durfte ich feststellen, dass der von mir lange recherchierte und mit Sorgfalt ausgewählte "Yogakurs für Schwangere" durchaus von tollen Frauen besucht wird. Zumindest habe ich nicht das Gefühl, das mein Bauchumfang in jeder Übungseinheit genauestens begutachtet wird, so auf die Art: hat sie viel zugenommen? Ist mein Bauch größer/kleiner/schöner/runder?
Wie komme ich darauf, dass das überhaupt passieren könnte? Nun ja. Wie ich feststellen durfte, braucht es für eben derartige Kommentare nicht mal einen Kurs mit anderen Schwangeren. Nein, es reicht unbedacht zu einem Seminar zu schlendern und auf halbem Weg eine „Kollegin“ zu treffen. Das Ganze hat sich in etwa zu zugetragen:

Sie: „Hallo du, wie geht’s dir denn? Alles fit?“
Ich: „Danke, geht sehr gut.“
Sie (auf meinen Bauch starrend): „Sag, wie weit bist du denn jetzt?“
Ich: „28. Woche.“
Sie (Augen aufreißend): „Na bumm, DAFÜR hast du aber schon einen Riesenbauch!!! Wahnsinn!“
Ich: „ … „

Ja, richtig. Stille. Ich, die normalerweise für schlagfertige Kommentare berühmt berüchtigt ist war baff. Was soll ich sagen, die Schwangerschaft verlangsamt mich. Ich starrte also auf meinen Bauch, starrte sie an, und murmelte irgendwas von „äh, räusper, grummel,…“. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich nicht in Tränen ausgebrochen bin. Leider hatte mich die Gute auch noch an einem schlechten Tag erwischt. Einem, an dem ich sowieso zartbehäutet wie ein frisch geschlüpftes Kücken war.
Nichts desto trotz spielte sich in meinem Kopf die nächsten 10 Minuten und dann noch den restlichen Abend das Folgende ab, und ich möchte im Vorhinein warnen: die Schwangerschaft führt bei mir zu ausgeprägten Gewaltfantasien und Gehässigkeiten.

Reaktion Szenario 1: „na Gott sei Dank kenne ich eine Expertin wie dich, die genau weiß, wie eine Frau in welchem Stadium der Schwangerschaft auszusehen hat!“
Reaktion Szenario 2: „Ich weiß, das wirkt so bei mir, weil ich vor der Schwangerschaft immer einen so beneidenswert flachen Bauch hatte.“
Reaktion Szenario 3: gestreckte Faust mitten ins Gesicht der Betroffenen. „Deine Nase blutet aber ganz schön dafür, dass das nur der Schlag einer Schwangeren war.“
Reaktion Szenario 4: gestreckte Faust ins Gesicht. „Tut mir leid, auf Dummheit reagiere ich immer mit roher Gewalt.“

Nun ja, vor lauter Empörung sms-te ich diese Frechheit an meinen Mann und meine beste Freundin.
Reaktion Mann: „Ned aufregen babe! Ignorieren, lächeln, Arschloch denken. Love you and your sexy Bauch.“
Reaktion beste Freundin: „Blöde Kuh. Wenn du mir sagst wo sie wohnt lauere ich ihr auf und geb ich eine auf die Nuss.“

Zumindest haben mich die beiden Reaktionen ein bisschen beruhigt. Der Vollständigkeit halber habe ich dann auch noch meine Mutter angerufen, um ihr mein Leid zu klagen (wenn mir eine meines Erachtens nach Ungerechtigkeit widerfährt, muss ich das möglichst vielen Menschen mitteilen). Die lachte doch tatsächlich ins Telefon hinein. Laut und schallend. Ich war irritiert und fragte verwirrt nach, was denn daran bitte so lustig sei, habe diese unmögliche Person mich doch auf äußerste beleidigt. Meine Mutter meinte nur ganz gelassen:
„Ist nur gut zu wissen, dass sich in mancher Hinsicht die Zeiten nicht ändern. Andere Frauen wissen es immer besser, und ich weiß nicht, wer schlimmer ist. Die, die Kinder haben, oder die kinderlosen. Zu mir kam 2 Wochen nach der Geburt eine entfernte Tante, musterte mich von oben bis unten und meinte trocken: „Der Arsch bleibt dir“. Und sie meinte mein Hinterteil. Kindchen, über solch blöden Kommentaren musst du drüber stehen. Lass dir ein dickes Fell wachsen, die Ratschläge und die Vorgaben wie du auszusehen hast werden noch schlimmer werden. Warte mal, bis sich die ersten in deine Erziehung einmischen. Da musst du entspannt drüber stehen. Und es gibt keine Faustregel wie groß ein Bauch zu sein hat. Bei dir hatte ich am Ende einen Bauchumfang von 110cm, und 4 Wochen nach der Geburt hatte ich mein Ausgangsgewicht wieder. Lass die Leute reden.“

Und das ist der feine Unterschied zwischen Männern und Frauen: ich habe ja die Erfahrung gemacht, dass die Kommentare mancher Männer zu schwangeren Frauen zumeist von Unwissen und dummen Klischees geprägt sind, die man gut entkräften kann.
Frauen hingegen sind gehässig.

Eine Bekannte meinte mal auf meine Schilderung, dass mein Mann in Karenz gehen würde:
„Aja, ich habe ein Freundin, die dachte auch, dass das eine gute Idee wäre wenn ihr Mann daheim bliebe. Brauchst nicht glauben, die ganze Arbeit bleibt an ihr hängen. Also stell dich schon darauf ein, dass dein Mann dir alles übrig lässt. Ich für meinen Teil hätte ja meine Kinder niemals jemand anderem überlassen können, da hätte ich mich wie eine Rabenmutter gefühlt.“
Danke auch. An diesem Tag war ich jedoch gut in Fahrt und noch nicht schwangerschaftsbedingt verlangsamt in meinen Gedanken und gab ihr Konter:
„Du hättest auch die Möglichkeit nicht gehabt, immerhin hat dich dein Mann nach der Geburt des ersten Kindes sitzen lassen und beim zweiten hat er sogar einen Vaterschaftstest verlangt. Du hättest deine Kinder gar niemand anderem geben können. Aja, und zur Info mussten mein Mann und ich über Aufteilung des Haushalts nie diskutieren, weil wir das von vornherein ohne etwas auszumachen so gemacht haben. Das ist bei uns kein Thema, nicht mal im Streit. Also….“

Ja, ich gebe zu, das war gemein und unter der Gürtellinie. Aber warum sollte man auf wirklich unqualifizierte und zumeist von Neid geprägte Aussagen nicht auch mal spontan gemein antworten dürfen? Ich muss mich ja auch wehren! Außerdem verteidige ich meinen Mann gerne. Immerhin hat man selten solch ein Glück mit einem männlichen Exemplar. Das muss auch mal gesagt werden.
Diese Bekannte kommentierte Wochen später süffisant meine Erzählung, dass ich von einer Freundin einen total günstigen gebrauchten Fläschenwärmer erhalten habe:
„Ach so, du brauchst das ja vermutlich, weil du wieder arbeiten gehen willst und das Kind beim Vater lassen musst. Ich habe ja NIE Fläschen gebraucht….“
Unnötig zu erwähnen, dass sich diese Bekanntschaft fürs erste erledigt hat.


Mittwoch, 12. März 2014

(Un-)freiwilliger Verzicht auf Alkohol oder „alkoholfreier Wein ist KEIN Traubensaft"

Mein Mann hat Geburtstag und feiert mit einer Jamsession/Party. Men only versteht sich. Ort des Vergnügens ist unser Keller mit Bandraum. Prinzipiell freue ich mich für ihn. Monatelang, fast jahrelang versucht er vergebens die Jungs zu so einem Treffen zu bewegen, aber an irgendetwas scheiterte es bisher immer. 
Wenn man mal die 30 überschritten hat, gibt es schnell mal eine Ausrede: „ich habe an dem Freitag davor eine Zahn-OP und werde mich am Wochenende davon erholen müssen.“, „Meine Freundin hat an dem Abend endlich mal keinen Nachtdienst.“, „Ich muss SO früh raus, da ich eine Skitour gehe…“. Die paar Jungs, die jünger als 30 sind, erfinden gar keine Ausreden sondern melden sich gleich gar nicht. Und wenn doch, haben sie besseres vor. „Da ist aber die 2-Euro-Party in …“.
Wie gesagt prinzipiell. Ganz brave Ehefrau sollte ich besonnen hier oben sitzen und ihm viel Spaß wünschen.
Ich habe es auch ehrlich versucht. Spätestens um 17 Uhr, als er bereits mit 4 Bier intus und stark nach Zigaretten duftend rauf kam, um nach mir zu sehen, war’s vorbei. Ich war gerade dabei, eine Atemübung zu machen, da ich dank der 28. Woche meiner Schwangerschaft immer öfter an unbequemer Atemnot leide. Der Fernseher auf volle Lautstärke aufgedreht, um das Gedudel und „Gejame“ der „Band“ zumindest etwas ausblenden zu können, steht der Hausherr plötzlich vor mir mit den Worten:
„Hört man die Musik eh nicht zu laut?“
„Es geht...“ versichere ich, und alles was ich mir denke, als er wieder in die Tiefen des Hauses entschwindet ist: Himmel, was bin ich neidisch. Will auch Bier trinkend und Zigaretten rauchend auf einer Party herumsitzen, mit dem einzigen Gedanken an den morgigen Kater. Nicht an Kurzatmigkeit, Sodbrennen und Verspannungen im Rückenbereich denken. 
Ich vermisse es, das unbeschwerte Leben, mit allen Möglichkeiten des Genusses. Ja, jetzt ist es raus. Am Anfang der Schwangerschaft konnten Alkohol und Zigaretten gar nicht weit genug weg von mir sein, doch das Blatt hat sich gewendet. Ich gebe es ehrlich zu: ich vermisse mein Achterl Weißwein am Abend, meine Genusszigarette nach dem Essen und das sorgenfreie herumlungern in lauten, stickigen Lokalen, ohne das einem ein Ungeborenes in die Eingeweide tritt.
In meiner Verzweiflung hatte ich mir vor Weihnachten sogar alkoholfreien Wein im Internet bestellt. Sauteuer das Zeug, und weit von Traubensaft entfernt. Der Alkohol des Weines wird auf irgendeine mir total egale Art und Weise aus dem Wein gefiltert. Das Ergebnis ist gar nicht mal schlecht. Aber natürlich trotz allem nur ein kleines Überbrückungspflaster. Was freue ich mich auf meinen Geburtstag, der nach der Geburt unseres Sohnes sein wird! Ich weiß jetzt schon, welchen Wein ich trinken werde, und ich kann es kaum erwarten.

In der Zwischenzeit kämpfe ich mich durch das Hauptabendprogramm, höre die Jungs lachen, stell mir ihre glücklichen, Bier-trinkenden Gesichter vor und schwöre mir: wehe, wenn ich wieder unschwanger bin! Dann gibt’s eine Party, die sich gewaschen hat. Da können die Jungs sich dann hinten anstellen! So schaut’s aus!

Donnerstag, 27. Februar 2014

SSW 20: Aufatmen! - oder "Der Tag, der ohne Übelkeit begann"

Ab einem gewissen Zeitpunkt meiner Schwangerschaft konnte ich alle, vermutlich gut gemeinten, Ratschläge nicht mehr ertragen. Wenn einem 24 Stunden am Tag schlecht ist interessiert es einen wirklich nicht, wie lange es bei Nachbarin xy gedauert hat und in welcher Intensität Arbeitskollegin xy die Übelkeit erlebt hat. Noch viel schlimmer sind Erzählungen wie: 
"Übelkeit? Mir ging es immer blendend! Total super, die ganze Schwangerschaft lang!" - meistens gefolgt von einer Erzählung über die traumatische Geburt. Keine Ahnung warum, aber offenbar hat sich über die Jahre die Mär entwickelt, dass Frauen mit tollen beschwerdefreien Schwangerschaften eine furchtbare Geburt haben müssen. Ganz ähnlich den Klischees: Spitzbauch = Bub, Sodbrennen = viele Haare, im Bauch lebhaft = ADS-Kind.
Wie auch immer erleichterte mir keine der Aussagen mein Unglück. Im Gegenteil, ich wurde dadurch nur aggressiv um anschließend in Selbstmitleid zu versinken.
Denn, Situation der nicht enden wollenden Übelkeit ist im wahrsten Sinn des Wortes einfach zum Kotzen. Niemand kann einem helfen, man kann nur hoffen, dass es besser wird.

Ich für meinen Teil hatte mit Ende des 3. Monats meine Hoffnung aufgegeben. Von allen Seiten tönte es:
„Ach, dir geht es immer noch schlecht? Oje, das ist aber ungewöhnlich….“
In meiner Fantasie habe ich nicht nur einmal "Lara Croft Kampfszenen" mit besagten KommentatorInnen nachgespielt. Das ein oder andere Mal war ich auch einfach nur Rocky in der letzten Kampfrunde gegen Drago in Rocky IV.
Sogar mein Allgemeinarzt, der mich immerhin zweimal eine ganze Woche aufgrund der Übelkeit und der Kopfschmerzen krank schreiben musste, schüttelte den Kopf und meinte nur ganz lapidar: 
„Sie haben ja echt den Jackpot der Schwangerschaftshormone ausgefasst. Wenn das Kind dann auf der Welt ist, ist das alles vergessen.“
Ehrlich? Ich vergesse das nicht. Punkt.

Mittlerweile war ich Schwangerschaftswoche 20 angekommen und hatte jegliche Hoffnung auf ein normales Leben ohne Würgegefühle, flauem Magen und Spontanerbrechen nach Autofahrten die länger als 10 Minuten dauerten aufgegeben. Man könnte sagen ich hatte mich abgefunden. Eine Schwangerschaft muss ja mal ein Ende haben, so wie jedes Flugzeug irgendwann und irgendwie wieder auf den Boden kommen muss.

Genau dann passierte es. Oder vielleicht genau deswegen, eben weil ich nicht mehr daran dachte und mich damit abgefunden hatte.
Ich wurde morgens wach und bemerkte, dass etwas anders war. Genau konnte ich es nicht beschreiben, es fühlte sich so eigenartig an, denn ich fühlte: nichts. Das dringende Bedürfnis, möglichst rasch das richtige Nahrungsmittel in meinen Mund hineinzuschieben bevor ich schon über dem Klo hing: es war weg!
Ich drehte mich zu meinem Mann um, rüttelte ihn unsanft wach und flüsterte:
„Es ist weg!!!“
Der kannte sich naturgemäß gar nicht aus und meinte nur:
„Hä?“
„Es ist weg! Mir ist nicht schlecht! Aber ich will es nicht zu laut sagen, sonst kommt es zum Schluss zurück….“
Das folgende Frühstück glich für mich einem Morgen im Schlaraffenland. Nicht, weil ich so viel Unterschiedliches zu mir nahm, sondern weil ich ganz normal am Tisch sitzen konnte, mir ein Müsli machte und nicht darüber nachdenken musste, ob mir nach dem 1. Bissen wieder übel wurde oder nicht, und vor allem, wann ich das nächste Mal eine Kleinigkeit essen müsste, um unvorhergesehenen Kotzaattacken zu entgehen. Ich war ausgeglichen, zufrieden und glücklich. Man weiß ja alltägliche "Situationen" erst zu schätzen, wenn man sie über einen längeren Zeitraum verloren hatte. Ich saß also am Tisch, grinste verträumt und erholt in mich hinein und erfreute mich ob des tollen Tagesbeginns.
Für alle die denken, das war’s dann also mit der Übelkeit: Es wäre nicht mein Leben, wenn die Regel, nämlich dass die Übelkeit quasi über Nacht komplett verschwindet, bei mir zutreffen würde. Nein, natürlich nicht, den einfachen Weg, den wollen wir nicht.
Das Problem der Übelkeit schlich sich bei mir aus. Zunächst waren meine Morgen befreit, nach und nach erweiterte sich der zeitliche Rahmen auf nach dem Mittagessen, schließlich war der Nachmittag erholsam und irgendwann, es muss in etwa die 23. Schwangerschaftswoche gewesen sein, war sie komplett weg.
Die Kopfschmerzen hielten im Übrigen noch bis zum Ende der 26. SSW aus. Schließlich verabschiedeten aber auch sie sich.
Momentan habe ich eine Kollegin, die in der 25. Woche schwanger ist, und es geht ihr wirklich schlecht. Aus meiner Misere habe ich gelernt, dass es am besten ist, nichts zu sagen. Kürzlich meinte ich zu ihr:
„Ich würde dir ja gerne irgendwas Sinnvolles erzählen, von wegen es wird besser und so. Aber da ich weiß, wie verhasst mir das war, sag ich einfach gar nix. Außer: schöner Scheiß.“

Sie nickte dankbar.

PS: an alle Frauen denen es wunderbar ging und geht in der Schwangerschaft: ich will euch ja wirklich nicht diskriminieren oder anfeinden. Irgendwann wird es eine Zeit geben, in der ich euch das gönne, dass ihr keinerlei Beschwerden hattet. Aber bitte: bindet das niemals einer Schwangeren auf die Nase, die gerade durch die Hölle geht! Das geht einfach gar nicht! Besser nichts sagen. Schwangere Frauen sind unberechenbar. Ich weiß das, ich bin eine. Und man kann nicht dafür garantieren, dass nicht vielleicht mal eine gut gemeinte Geschichte mit einer saftigen Ohrfeige beantwortet wird. 

Montag, 17. Februar 2014

Money money money - die Industrie hinter jeder Schwangerschaft

Nicht genug, dass ich mit allen möglichen hormonellen und körperlichen  Veränderungen zu kämpfen hatte. Zusätzlich wird man, sobald man „guter Hoffnung“ ist, vor zahlreiche finanzielle Entscheidungen gestellt. Damit meine ich nicht die Anschaffung von Mobiliar für ein Kinderzimmer, obschon die Kuriositäten in diesem Bereich auch grenzenlos zu sein scheinen. Nein.

Es beginnt alles mit der Möglichkeit, den kleinen wachsenden Menschen in sich quasi rund um die Uhr begutachten zu können und die Entwicklung des Lebewesens von A-Z zu kontrollieren. Ja, ich meine kontrollieren. Stichwort „pränatale Diagnostik“. Ich will hier gar keine (wissenschaftliche) Debatte über diese durchaus auch sinnvolle medizinische Errungenschaft herauf beschwören. Es ist mir sehr bewusst, dass dieser Fortschritt für einige Menschen durchaus seine Berechtigung und Sinnhaftigkeit hat. Dennoch fühlten wir uns als werdende Eltern zunächst einmal komplett überfordert und in zweiter Linie fast schon verpflichtet, im Wohle des Kindes, alle nur möglichen pränatalen Tests durchführen zu lassen. Als die Gynäkologin uns von den diversen Methoden erzählte, und das wir alsbald eine Entscheidung treffen müssen, welche wir nutzen möchten da es ansonsten „eng mit den Terminen in den Krankenhäusern werden kann“ fühlte ich mich schlichtweg unter Druck gesetzt. Daraus resultierend war meine erste Reaktion, an meinen Mann gerichtet:
„Machen wir alles. Nackenfaltenmessung (€60,-), Combined Test (€200,-), Organscreening (€150,-) und sollten Folgeuntersuchungen notwendig sein, diese auch. Und einen 3D-Ultraschall will ich auch, egal was es kostet, ich will ja wissen, wie mein Baby aussieht!!!“
Man bekommt also einen Zettel mit, auf welchem alle möglichen Untersuchungen draufstehen, kreuzt die gewollten an, und gibt den Zettel alsbald wieder bei der Gynäkologin ab.
Zwei Wochen später stand ich vor der Sprechstundenhilfe, kleinlaut um ein neues Formular bittend.
Wir hatten einfach zu viel herumgekritzelt und im Endeffekt war nicht mehr zu erkennen, was wir jetzt wollten oder ob wir überhaupt irgendetwas wollten.

Schlussendlich haben wir uns, nach reiflicher Überlegung, gegen alle zusätzlichen Untersuchungsmöglichkeiten ausgesprochen. Warum? Die Frage ist doch immer: was mache ich, wenn es eine Wahrscheinlichkeit für eine Missbildung/Behinderung gibt? Manche Tests werden zu einem Zeitpunkt durchgeführt, der weit jenseits des Befruchtungsdatums liegt. Soll heißen, dass Baby wäre zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon spürbar. Und dann treibe ich es noch ab, aufgrund einer Wahrscheinlichkeit? Ich kritisiere hier niemanden, der diese Möglichkeit wahrgenommen hat. Wir haben uns dagegen entschieden, und ich bin heilfroh, denn ganz ehrlich, nachdem sich der kleine Racker in mir das erste Mal bemerkbar gemacht hatte, hätte ich nie und nimmer aufgrund einer Wahrscheinlichkeit eine Abtreibung durchführen lassen können. Dann doch lieber „nur“ die vorgeschriebenen Tests und Ultraschalltermine. Geld gespart haben wir auch. Und zwar eine Menge.

Aber es geht ja noch weiter! Wie bereits erwähnt werden Schwangere ja in allen Bereichen der Industrie aufs Korn genommen. Das beginnt bei der Vermarktung von speziellem Öl zur Verhinderung von Schwangerschaftsstreifen. Je teurer, desto besser wird suggeriert. Würde ich all diese Produkte ernsthaft kaufen, ich schwöre, ich würde kurz vorm Privatkonkurs stehen. €25,- für eine kleine Flasche Öl? Echt? Und die vollbringt dann Wunder? Gut, ich bin ja generell nicht der Typ für teure Kosmetika, und auch die Anzahl der Produkte in meinem Badezimmer lassen sich an einer Hand abzählen. Aber wieviel Geld man für den Gag der „Verhinderung von Schwangerschaftsstreifen“ ausgeben kann, ist ja fast schon skurril. Liebe Frauen, es ist wissenschaftlich belegt, dass es zunächst einmal auf die Beschaffenheit des Bindegewebes ankommt und zweitens regelmäßiges eincremen zwar helfen KANN aber nicht MUSS, diesen unerwünschten Makel einzudämmen. Denn wenn die Veranlagung dazu da ist, hilft auch eine Creme um €25,- nichts mehr. Selbst wenn du darin badest. Eincremen ist natürlich gut und notwendig für die strapazierte Haut in der Schwangerschaft, aber dazu reicht (laut Hautarzt) jedes Hautöl, sogar stinknormales Olivenöl kann man nehmen oder die billigste Hautcreme vom Lidl. Punkt.

Munter weiter geht das Geld-ausgeben schließlich bei Dingen, die Baby laut Werbung dringend braucht. Eine extra Wickelkommode muss her (im Endeffekt eine stinknormale Kommode mit ein paar Laden), die, vermutlich aufgrund der Namensgebung, nicht unter €200,- zu haben ist. Ein Babyschrank (also ein gewöhnlicher Kleiderschrank), eine Babybadewanne (bekommt man zwar schon günstig und braucht man unbestritten auch, es gibt jedoch Modelle um sage und schreibe €150,-. Was die dann genau anders machen, konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht baden die das Baby von selbst. Oder haben Internetanschluss.), gefolgt von Babyphones mit Bildschirm und Nachtsichtmodus, damit man das Baby auch IMMER im Blick hat. Kostenpunkt €150,-. Ehrlich, da muss man doch den Kopf schütteln und sich wundern, oder? Auch eine interessante Erfahrung ist der Versuch, sich einen Kinderwagen anzuschaffen. Es gibt Modelle, die kosten €1000, und können gar nix, außer fahren. Die kann man nicht mal umbauen. Ich weiß nicht, wofür man das ganze Geld in diesem Fall bezahlt. Aber vermutlich ist auch hier irgendwo etwas ganz besonders tolles eingebaut, oder der Stoff ist ganz besonders exotisch und trendy. Ich weiß es nicht. ich kann ob dieses Wahnsinns nur meinen Kopf schütteln. Soviel Geld könnte ich gar nicht haben, dass ich alles in solch unnötige Anschaffungen investieren würde. Jedoch kann ich nachvollziehen, dass man durchaus verführt ist, sich das teuerste vom teuersten anzuschaffen um auch wirklich „nur das Beste für das Baby“ zu wollen.  Bei manchen Dingen war auch ich geneigt, den einen oder anderen Euro zu viel auszugeben. Gott sei Dank habe ich jedoch einen sehr vernünftigen und pragmatischen Mann, und eine Mama sowie Freundinnen, die ehrlich sind. Stichwort Wickelkommode (mein favorisiertes Modell hätte €250,- gekostet).
Oh-Ton Mama:
„Um ehrlich zu sein, ich hatte eine. Aber genutzt hab ich sie nie. Das war zu unpraktisch. Ich hab dich gerne am Boden auf einer Decke oder am Küchentisch mit einer darunterliegenden Wickelauflage gewickelt. Und sobald du gekrabbelt bist war an ein wickeln in aller Ruhe sowieso nicht mehr zu denken. Spar dir das Geld und besorg dir eine Wickelunterlage.“
Dank eine lieben Freundin hab ich so ein Ding jetzt daheim. Kostenlos.

Gerne zitiere ich auch wieder einmal meine Oma:
„Mein Gott, deine Mutter hat am liebsten im Wäschekorb geschlafen. Für das Baby zählt sowieso nur, das es bequem ist und dass eine Bezugsperson da ist. Ob das Ding jetzt €500,- gekostet hat oder ausgeliehen ist, ist einem Kind vollkommen schnurz.“

Auch im Sinne eines Umweltgedanken finde ich die Idee vom Ausleihen oder Gebrauchtes schenken lassen gar nicht schlecht. Dem Kind ist es egal, mir auch, wir sparen Geld und die Umwelt wird geschont. Ist doch perfekt, oder?

Für diejenigen, die keine Freundinnen, die bereits Mütter sind, haben: es gibt wunderbare Tauschportale oder Flohmärkte im Internet zu finden. Gibt es was Besseres?

Montag, 10. Februar 2014

Die Diktatur der Werbeindustrie: schlank sein, schlank bleiben, auch in der Schwangerschaft!

Irgendwie war ich ja erleichtert. Zumindest die arbeitsrechtliche Geschichte war erfolgreich zu Ende gegangen und auch die Verdrängungsmechanismen schienen weniger zu werden. Zumindest konnte ich mittlerweile wieder über meinen Zustand sprechen. Was allerdings sicherlich auch mit gewisser Resignation zu tun hatte. 
Eine Menge Menschen sehen in einem sobald man schwanger ist nur noch die Schwangere. Dementsprechend eingeschränkt ist der Themenbereich der Gespräche. Selbst ein Sturschädel wie ich schafft es nicht, auf Dauer in Gesprächen von diesem einen großen Thema abzulenken und mühsam den Gesprächsverlauf in eine andere Ecke zu lenken. Das ist einfach furchtbar anstrengend, und wenn man ohnehin schon den ganzen Tag mit Übelkeit, Kopfschmerzen und diversen anderen Mühseligkeiten zu kämpfen hat vermeidet man mit der Zeit jegliche weitere Anstrengungen. Meine Strategie war also, ganz nach dem Rat meiner Mutter: lächeln, nicken und versuchen, auf diverse kontrovers zu diskutierende Themen nicht eingehen.
Wenn das so einfach wäre. Zumindest hatte ich nach 17 Wochen Schwangerschaft gelernt, an guten Tagen oh-Töne von wegen „na wenn das Kind erstmal da ist, wird dein Mann kaum mehr zu Hause sein…“ oder „sobald das Kind da ist, wirst du es gar nicht mehr deinem Mann anvertrauen wollen, da ist man zu sehr Mutter…“ zu ignorieren. 
Alles im übrigen Aussagen, die genauso getätigt wurden. Von erschreckenderweise Menschen in meinem Alter (+/- 8 Jahre. Wenn man mal die 30er Grenze überschritten hat, wird man ja tolerant gegenüber Altersunterschieden).
Witzigerweise hatte in der Zwischenzeit mein Mann begonnen, auf solche Aussagen vehement und fast schon aggressiv zu reagieren. Wer ihn kennt weiß: er ist eher der ruhige Typ, kann unqualifizierte Aussagen einfach überhören (was sich in diversen Streitsituationen auch für mich bereits als Vorteil erwiesen hat) und nichts bringt ihn so schnell aus der Ruhe. 
Was war ich überrascht, als er einer Verwandten mit den Worten „Kannst du mal aufhören, ständig so einen Scheiß zu verbreiten?“ über den Mund fuhr. Überrascht und stolz. So kannte ich ihn nicht, und es war eine ungemeine Erleichterung für mich zu sehen, dass ihn stereotype Aussagen genauso aufregten wie mich. Schön.
Wenn es um gutgemeinte Ratschläge und Tipps rund ums schwanger sein und die Zeit danach geht halte ich mich ja gerne an meine Oma. 
Warum? 
Erstens hat sie nie ungefragt Ratschläge erteilt. Solche Menschen hab ich in den letzten Monaten einfach enorm zu schätzen gelernt. Und sollte man doch mal nachfragen, dann kommt die schonungslose Wahrheit, gepaart mit einem: 
„Kind, im Endeffekt müssen dein Mann und du selbst herausfinden, wie es für euch am besten ist. Ihr lebt in einer Zeit, in der alles möglich ist. Bei mir uns war das damals noch nicht so.“

Besonders gefährliches Terrain für von Schwangerschaftsbeschwerden geplagte Frauen ist im übrigen das Gewicht. Ich weiß ja nicht genau warum, aber auch das hatte ich erfolgreich verdrängt. Mit das meine ich die unvermeidliche und notwendige Gewichtszunahme. 
In einer Gesellschaft in der sich alles nur noch ums „abnehmen“ und „wie kann ich fünf Kilo in fünf Tagen verlieren“ dreht, verdrängt man sowas ja schnell mal.
Eines Abends saß ich also da, sinnierte so vor mich hin, surfte wahllos durch Internet, als mir plötzlich ohne besonderen Grund einschoss: ich bin schwanger, ich werde zunehmen und einen Bauch bekommen! 
Als wäre das die Neuigkeit des Jahrtausends gewesen. 
Aber: ich traute meiner Intuition nicht. Ja, ich weiß, vielleicht denkt ihr jetzt „oh Mann, wie dämlich ist die denn“? 
Was soll ich zu meiner Verteidigung schon großartiges sagen? 
In Panik rief ich meine Mutter an um mir diesen Umstand bestätigen zu lassen. Das lief in etwa so ab.
„Mum, ich werde fett werden, richtig?“ gefolgt von schluchzen, heulen und schniefen.
„Kind, natürlich wirst du zunehmen und einen Bauch bekommen. Aber wenn du nicht gerade wie ein Mähdrescher reinfrisst, wirst du nicht fett werden. Und selbst wenn, dann nimmst du das Gewicht nachher halt wieder ab? Was war ich damals froh, dass ich endlich ohne schlechtes Gewissen essen durfte was ich wollte?“ – Dann lachte sie auf.
Und ich schluchzte noch lauter.
„Aber Mum, ich will nicht fett werden! Fett und hässlich! Unansehnlich! Alle werden mich ansehen und auslachen!“ – ich nehme an, dass ich dann noch eine Weile in Selbstmitleid zerfloss, unterbrochen von schluchzenden und schniefenden Geräuschen.
Irgendwann reichte es meiner Mutter und sie sagte laut und streng ins Telefon:
„Jetzt reiß dich mal zusammen! Seit Millionen von Jahren werden Frauen schwanger, nehmen zu und wieder ab, und das ist das natürlichste der Welt. Und wenn jemand zu dir sagt du seist fett dann ist er sowieso ein Vollidiot. Du wirst sehen, wenn du das Baby einmal spürst, wirst du auch deinen Bauch mögen. Und das aller genialste wird dann das Gefühl nach der Geburt sein: da denkst du, du bist plötzlich leicht wie eine Feder! Dann hast du den kleinen Scheißer auf dem Arm und ein paar Kilo mehr sind auch wurscht, abgesehen davon das in unserer Familie alle nach der Geburt wieder schlank und rank waren wie eh und je. Und jetzt lass dir ein Bad ein, entspann dich und hör auf dich da so rein zu steigern.“
Bumm, das hatte gesessen.

Wochen später bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Mama und Oma sowie großem Bauch erwähnte ich mal, dass ich mich wie ein Wal fühlen würde. Meine Oma lachte laut auf und meinte nur:
„Wart mal noch 6 Wochen, dann fühlst du dich wie ein Seeelefant und dein Mann muss dir die Socken anziehen.“
Zu diesem Zeitpunkt fand ich das schon wieder witzig.

Vor kurzem fiel mir ein Artikel in die Hände, in dem es um den Trend von schwangeren Frauen ging, so wenig Kilos wie möglich zuzunehmen und die daraus resultierende Entwicklung von Essstörungen in der Schwangerschaft. Ich muss ja ehrlich zugeben, dass mich das nicht mal wundert.
Die Gesellschaft und die lieben Männer (so sehr ich eure Rechte und Anliegen verstehen kann und euch immer gerne verteidige, aber in dem Punkt müssen einige noch viel lernen) machen einem den natürlichen Umstand der Schwangerschaft wirklich oft zur Qual.
Ich erinnere mich an ein Klassentreffen, bei welchem ein ehemaliger Mitschüler mir erzählte:
„Sei froh, dass dir so schlecht ist und du nix essen kannst. Meine Frau hat 25kg zugenommen in der Schwangerschaft, dass muss sie jetzt erstmal wieder loswerden.“
Aussagen wie diese finde ich schrecklich. Na und? Dann hat sie eben einen kleinen Polster angelegt während der anstrengenden Zeit des schwanger seins. In vielen Fällen war die Frau vor der Schwangerschaft sowieso sehr schlank und idealgewichtig, da muss und darf das sein, dass man etliches zunimmt. Und wer sind wir, dass wir uns nur noch über Kilogrenzen und Body-Mass-Index definieren?

Eine meiner Lieblingsgeschichten was Frauenkörper und Schwangerschaft betrifft ist die eines Bekannten, der auf einem Männerabend lapidar das Folgende von sich gab:
„Ich bin ja eigentlich froh, dass meine Frau kleine Titten hat. Denn wenn sie große hätte, und dann werden die in Schwangerschaft noch größer, was glaubst wie hässlich die dann hängen. Dann lieber von vorn herein kleine.“
Ja, mein Mann erzählt mir alles.
Ich war gelinde gesagt leicht geschockt von der Oberflächlichkeit mancher Männer. Gibt übrigens auch Frauen die solche Dinge von sich geben. Vermutlich ist das Neid. Ich weiß es nicht. Aber wenn wir schon so oberflächlich sind: auch kleine Brüste können hängen. 
Und wenn das größte Problem eines Mannes oder einer Frau der Zustand der Brüste ist, dann sollten die sich sowieso mal eine Therapie oder etwas dergleichen überlegen. Da stimmen dann sicher etliche andere Sachen auch nicht.

Millionen von Euro werden in die Schönheitsindustrie geblasen, damit Frauen sich „schöner“ machen: Brustvergrößerungen, Bruststraffungen, Fett absaugen. Bloß nicht menschlich sein, immer einem Ideal hinterherhecheln, nur nicht altern und vor allem: nicht zulassen, dass irgendetwas hängt.
Liebe Männer, glaubt ihr, dass eure Geschlechtsteile mit dem Alter nicht zu hängen beginnen und ekelhaft aussehen?
Liebe Frauen, glaubt ihr, dass ein straffer Busen aus euch tatsächlich einen besseren und erfolgreicheren Menschen macht?
Ich will jetzt gar nicht verschweigen, dass auch ich diesem Trugschluss schon des Öfteren erlag. In der heutigen Zeit schwanger sein, hilflos zusehen müssen wie die Kilos auf der Waage plötzlich in Bereiche wandern, von denen man nur aus Filmen weiß, ist hart und erfordert ganz schön viel Selbstvertrauen.
Das Internet ist voll mit „Gewichtsrechnern für die Schwangerschaft“ und erschreckender Weise scheinen auch etliche FrauenärztInnen bereits auf diesen Zug aufgesprungen zu sein.
Da lobe ich mir die meinige, die geduldig da sitzt, mich ansieht und sagt:
„Sollten Sie tatsächlich gesundheitsgefährdend viel zunehmen, dann schrei ich schon, keine Sorge. Aber so lange ich das nicht tue, konzentrieren Sie sich auf Entspannung und auf das Baby, und vergessen Sie die Anzeige auf der Waage.“
Das verhindert zwar nicht die Angst vor zu viel Gewicht, aber beruhigt.

Aja, und noch was: ein Mann, der in einem in der Schwangerschaft sagt „man solle bloß nicht zu viel essen und zunehmen“, den setzt man am besten vor die Tür. Solche Idiotien hat man dann doch wirklich nicht nötig.

Sonntag, 9. Februar 2014

"Schwanger? Für das Unternehmen zu kompliziert!" - oder wie ich beinahe meinen Job aufgrund der Schwangerschaft verlor


Schwangerschaftswoche 12 neigte sich dem Ende zu, Familie und Freunde wussten Bescheid, ich hielt ein ärztliches Attest in Händen und damit war es auch an der Zeit, den Arbeitgeber zu informieren. Das hatte mir schon vor Wochen zusätzliche Kopfschmerzen bereitet, doch nun gab es kein Entrinnen mehr. Ich konnte ja schlecht warten, bis mein Riesen-Bauch es ohnehin jedem verraten würde.
Warum machte mir das Bauchschmerzen? Mein Arbeitgeber hatte bereits Mitte des Jahres eine Kollegin aufgrund von Schwangerschaft gekündigt. Diese Aktion war natürlich rechtlich nicht gedeckt, aber wie ich feststellen musste, lassen sich Frauen ja einiges gefallen. Selbst wenn sie die Möglichkeit hätten, sich zu wehren.
Ich rechnete also bereits mit einer ähnlichen Aktion in meinem Fall, hatte also zumindest den Vorteil, mich rechtlich gründlich zu erkundigen.
Der Termin war schließlich vereinbart, und ich stapfte nervös und nicht ohne vorher unfreiwillig meinen Magen vom Frühstück zu befreien, zur Chefin.
Dieses erste Gespräch verlief noch relativ harmlos. Ich teilte mittels ärztlicher Bestätigung meine Schwangerschaft samt voraussichtlichem Geburtstermin mit, meine Vorgesetzte quittierte dies mit einem „Aja….“ Und zeitverzögert: „Gratuliere.“ und ließ mich wissen, dass ich ja eine erneute Befristung erhalten hatte und damit mein Beschäftigungsverhältnis während der Karenz enden würde.
Leicht verwirrt erklärte ich, dass meine ursprüngliche Befristung, welche bis Ende des Jahres 2013 hätte dauern sollen, ja mit Ende September verlängert worden war, das 2 befristete Dienstverhältnisse hintereinander gesetzlich nicht erlaubt sind und ich somit in einem unbefristeten Dienstverhältnis stehen würde. Den Kommentar zur Karenz verkniff ich mir vorerst.
Es folgte kurze Stille und schließlich die Information, dass sie sich da selbst rechtlich erkundigen müssen und mir dann Bescheid geben würde. Damit war das Gespräch vorerst beendet und ich etwas erleichtert.

Eine Woche später wurde ich wieder in die Chefetage gerufen. Was dort folgte, waren 20 Minuten von denen ich hoffe, dass sie keiner schwangeren Frau, nein, keinem Menschen jemals passieren.
Da ich mit dem Schlimmsten rechnete, hatte ich mit zuvor nochmals Unterstützung der Gewerkschaft zugesichert.
Kaum ins Büro eingetreten, wurde mir unverblümt und in unglaublicher, fast schon bösartiger Manier, das folgende mitgeteilt:
Man habe sich in der Führungsetage über meinen Fall unterhalten und sei zu der Entscheidung gekommen, dass es für das Unternehmen viel zu kompliziert sei, eine schwangere Mitarbeiterin zu behalten. Immerhin müsste ich ja in Mutterschutz gehen und danach wäre ich Jahre lang in Karenz und das sie für das Unternehmen einfach nicht tragbar.
Ich unterbrach meine Chefin mit den Worten:
„Wer sagt, dass ich in Karenz gehe?“ –
„Na das ist doch die normale Vorgangsweise…“ –
„In meinem Fall nicht. Mein Mann und ich haben vor, uns die Karenz zu teilen bzw. kann es sein, dass er die Karenz alleine in Anspruch nimmt und ich gleich nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehe.“ –
„Aja. Das ist ja dann noch komplizierter für das Unternehmen. So wissen wir ja gar nicht, wann du zurück kommst und müssten für unbestimmte Zeit einen Ersatz suchen. Jemanden aus dem Unternehmen können wir ja nicht auf deine Stelle setzen, da dein Verdienst ein anderer ist. Das wäre der wirtschaftliche Ruin für uns. Jemand neuen einstellen ist viel zu kompliziert. Also nein, wir müssen das Dienstverhältnis mit Beginn des Mutterschutzes auflösen.“

Gut, ich hatte zwar bereits mit Widrigkeiten gerechnet, dass mir jedoch von einer Frau und zweifachen Mutter einfach so im Detail (und das hier war die Kurzversion) ins Gesicht geschmettert wird, wie untragbar schwangere Frauen für ein Unternehmen doch sein, schockierte sogar mich. Ich rang um Luft und hörte mein Herz dermaßen laut klopfen, dass ich Angst hatte, man könnte es noch am anderen Ende der Welt hören.
Ich sammelte mich und antwortete, in einer mir sehr untypisch ruhigen, sachlichen und bestimmten Art und Weise (ich muss zugeben, ich neige dazu laut zu werden und meinen Standpunkt super-vehement zu verteidigen):
„Zunächst möchte ich feststellen, dass ich vom Unternehmen im Gesamten und von dir als Frau und Vorgesetzte im Speziellen schwer enttäuscht bin. Das ein soziales Unternehmen mit einem Frauenanteil von knapp 90% so mit Schwangeren umgeht ist schlichtweg unglaublich und eine Frechheit. Nichts desto trotz möchte ich dich darauf aufmerksam machen, dass alles was du mir eben gesagt hast, rechtlich nicht gedeckt ist und ich dies daher nicht auf mir sitzen lassen werde.“
Leicht pikiert starrte meine Vorgesetze mit an und fragte:
„Heißt das nun, dass du deine rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wirst?“-
„Ja, darauf kannst du dich verlassen. Ich hätte außerdem gerne ein Protokoll dieses Gespräches, in welchem im Detail angeführt wird, dass ich aufgrund der Schwangerschaft nicht mehr tragbar bin und dass meine im September vereinbarte Umwandlung der Befristung in ein unbefristetes Dienstverhältnis aufgrund meiner Schwangerschaft zurückgezogen wird.“ –
„Mach ich.“
Unnötig zu sagen, dass ich dieses Protokoll nie bekam.

In meinem Büro angekommen musste ich erstmal gegen die aufsteigenden Tränen und die unbändige Wut ankämpfen. Soviel Ungerechtigkeit, selbst in vorbereitetem Zustand, war für meine Nerven einfach zu viel. Ich steckte ohnehin gerade in massiver Verdrängung und dann konnte ich mir auch noch von einer Frau anhören, wie untragbar man schwanger doch sei. Nachdem sich mein Schluchzen gelegt hatte rief ich bei der Gewerkschaft an und besprach die weitere Vorgangsweise.

Ich erspare euch die Details, das würde einfach zu weit führen. Nur so viel sei gesagt: solche Aktionen sind in Österreich offenbar an der Tagesordnung, was mir gleich den nächsten Schock versetzte. 
Man bat mich, eine detaillierte Zusammenfassung der Ereignisse, von Bekanntgabe der Schwangerschaft bis zum heutigen Gespräch aufzuschreiben und inklusive meiner Dienstverträge via Mail der Gewerkschaft zu übermitteln.
Der Rest ist Geschichte.
Es wurde ein Brief an die Geschäftsleitung verfasst, in welchem die Diskriminierung dargelegt wurde und dass das Unternehmen zwei Wochen Zeit hätte, seine Entscheidung zu revidieren. Andernfalls würde Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingereicht. Das Unternehmen gab nach 10 Tagen klein bei, und erklärte in einer Email, dass man da was falsch verstanden hätte und ich natürlich wie alle anderen MitarbeiterInnen behandelt werden würde und dementsprechend mit Januar 2014 in einem unbefristeten Dienstverhältnis sein werde.
Alles ging also gut aus.

Die beiden Wochen, in denen ich darauf warten musste, ob es nun zur Klage kommt oder nicht, waren jedoch der reine Horror. Schlaflose Nächte, die ohnehin vorhandene permanente Übelkeit, die unnachlässigen Kopfschmerzen, und dazu die immer noch fehlende Abgrenzung zu all den Menschen, die einem suggerieren wollen, dass mit Kind das Leben vorbei sei, waren einfach zu viel.
Die Erleichterung, dass ich im Recht war dafür schließlich umso größer.

Natürlich wurde ich von der Chefetage ab diesem Moment gemieden und auch nicht mehr am Gang gegrüßt. Das war mir dann aber herzlich egal. Ich hatte mich erfolgreich gegen die Diskriminierung zur Wehr gesetzt, und somit ein Zeichen für alle anderen Frauen, die in der gleichen Situation stecken, gesetzt.

Samstag, 8. Februar 2014

Die Verdrängungsphase oder SSW 13 ff.

Es war ein Sonntag. Ich war bereits aufgestanden gewesen, hatte Tee getrunken, eine Kleinigkeit gegen die unaufhörliche Übelkeit gegessen, den leichten Kopfschmerz bemerkt, Musik gehört und mich gefragt, wie schlimm das Kopfweh heute wohl noch werden würde und ob ich nach dem Mittagessen kotzen würde oder nicht. 
Dann war er auf einmal da. Der Gedanke, das Gefühl, ja die Gewissheit: ich will nicht mehr.

Ich stand wie paralysiert auf, ging wieder zurück ins Bett, kuschelte mich unter die Decke und begann zu schluchzen und zu weinen. 
Mein Mann realisierte erst ein paar Minuten später, dass ich aus dem Schlafzimmer wohl nicht mehr zum Frühstückstisch zurückkehren würde. Keine Ahnung was in ihm wohl vorgegangen sein mag, als er mich so sah. 
Was in mir vorging wusste ich dagegen ganz genau. Ich wollte nicht mehr schwanger sein. Ich hatte es satt. Ich war müde, ausgelaugt, mir war übel, ständig hatte ich Kopfschmerzen, die Menschen rund um mich herum sahen in mir nur noch „die Schwangere“. Nicht mehr den Menschen, die Freundin, die qualifizierte Frau. Ich wurde reduziert, und zu allem Überfluss wurde mir auch noch suggeriert, dass ich ab sofort nur noch Mutter sein würde. 
Meine Beziehung würde den Bach runter gehen, mein Körper ausgeleiert und unansehnlich werden. Meine Karriere würde sich in Luft auflösen, mein Leben würde sich nur noch um die Themen „stillen, wickeln und Babykram im allgemeinen“ drehen, Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten waren für immer und ewig abgeschrieben, genauso wie hemmungsloser, guter Sex und Zeit für meinen Mann und/oder mich selbst. 
Ja, mein Leben war mal eben so vorbei. Das sagten sie mir alle. Das hörte ich von allen. Sonst nichts. 
Das Rauschen in meinem Kopf wurde unerträglich laut, ich konnte regelrecht fühlen, wie schwabbelig mein Bauch und mein Busen sein würden, sah mein Leben an mir vorbei ziehen und wäre am liebsten einfach abgehauen.
Mein Mann saß hilflos neben mir und fragte unschuldig: “was ist denn los?“

Meine genaue Reaktion weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich mich abdeckte und ihm all das an den Kopf warf. Dass seine Freunde Idioten seien, das mein Leben vorbei wäre, dass er gut reden hätte und stolz herum laufen könnte, denn er würde nicht ausgeleiert und musste nicht ein Baby an seinem Busen stillen, weil es nämlich die Gesellschaft so verlangte. Er wäre nicht die Rabenmutter, weil man das Kind in eine KITA geben möchte, er wäre nur derjenige, der eine Affäre hätte, weil er es daheim nicht mehr aushalten würde mit seiner ausgeleierten Frau mit Hängebusen, die keine Karriere mehr hat und nur noch über vollgeschissene Windeln und das beste Kinderwagenmodell sprechen konnte.

An irgendeiner Stelle war ich wohl aufgesprungen und hatte lauthals gebrüllt, dass ich nicht mehr wolle. Das es reiche. Das ich keine Lust darauf hätte, und einfach nicht mehr will.
Er wollte mich trösten, aber das konnte er nicht. Er hätte es so oder so nicht gekonnt, egal was er gesagt oder getan hätte. Das war mein Kampf, mit dem er in Wahrheit gar nichts zu tun hatte. 
An einem Punkt starrte er mich an und schrie: „Willst du jetzt abtreiben?“ und auf eine schockierende Weise war ich in diesem Moment nicht sicher, ob ich das nicht wirklich wollte.

Ich weiß, es hört sich schrecklich an. Vielleicht denkt sich jetzt die eine oder andere: oh mein Gott, was ist diese Frau bloß für ein Psychowrack.
Dennoch bin ich mir sicher, dass sich einige von euch in meinen Schilderungen wiederfinden werden.

Diese Phase war hart und ich ging an meine Grenzen. Ich saß eine Woche nach diesem Vorfall bei meiner Gynäkologin und brach in Tränen aus. Meine Mutter rief ich an um ins Telefon hineinzubrüllen, dass sie ja sowieso keine Ahnung hätte was ich durchmachen würde. 
Doch meine Mutter hatte eine Ahnung und nahm meine Ausbrüche gelassen und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit hin. 
Vor allem lernte ich von ihr das Eine: grenze dich in der Schwangerschaft ab. Mach die Dinge, wie sie für dich selbst gut sind. Kein Ratgeber der Welt und auch keine andere Mutter der Welt kann dir sagen, was für dein Baby, deine Ehe oder dich das Beste ist. Es wird immer Menschen geben, die glauben sie wissen es besser, die dir Tricks und Tipps geben wollen und es vermutlich gut meinen damit. Aber sie machen es in den meisten Fällen nicht besser. Hör auf deinen Instinkt. Menschen, die nicht gut sind für dich (und das findet man in einer Schwangerschaft schneller heraus als einem lieb ist): meide sie.


Diese Phase zu überwinden war nicht einfach, und es konnte mir auch niemand damit helfen. Meinem Mann sagte ich, dass ich ab sofort nicht mehr über die Schwangerschaft reden wollte, und dass er dies zu akzeptieren habe. Er tat dies und ich weiß jetzt, wie schwer ihm das damals fiel. Aber anders hätte es für mich nicht funktioniert. Ich musste dieses Dilemma mit mir selbst ausmachen. Alle, die mit mir über die Schwangerschaft reden wollten, blockte ich ab. Mit einigen Freundinnen tauschte ich mich via Mail über meinen Zustand aus, und das fiel mir bedeutend leichter als das persönliche Gespräch. Ich konzentrierte mich auf meine Arbeit, und das war auch notwendig, denn wie sich herausstellte wartete genau in dieser furchtbaren Phase die nächste Hürde auf mich....