Dadurch, dass die Schwangerschaft bevor wir auf Urlaub fuhren noch
relativ frisch war, entschlossen mein Mann und ich, noch niemandem von unserem
kleinen Geheimnis zu erzählen. Außerdem war zumindest ich richtiggehend
verunsichert ob der vielen negativen Meldungen, die sich in den letzten Monaten
in meinem Bekanntenkreis zum Thema Schwangerschaft gesammelt hatten.
Da war
durchgehend von Fehlgeburten die Rede, von „Scheinschwangerschaften“ und von
schweren Blutungen und dementsprechendem Zwang, die gesamte Schwangerschaft in
einem Bett zu verbringen, bei welchem vorzugsweise der Kopf niedriger lag als
die Beine.
Man kann also eigentlich sagen, dass ich mit allem rechnete, nur
nicht damit, dass alles okay sein würde.
Wir wollten also mit der Meldung an alle Verwandten und Freunde warten,
bis wir den ersten Arzttermin erledigt und somit die schriftliche Bestätigung
in Händen hielten. Dieser erste Termin fand am Tag nach Rückkunft aus dem
Urlaub statt. Wir erinnern uns: mein Allgemeinzustand war, im wahrsten Sinn des
Wortes, zum Kotzen, und auch ansonsten fand ich an dem Schwangerschaftsgedanken
eigentlich noch nichts wirklich Prickelndes.
Wir wurden also gemeinsam ins Besprechungszimmer gerufen, und die
Gynäkologin begrüßte uns mit einem fröhlichen:
„So, die Periode ist also
ausgeblieben, ja? Wie fühlen wir uns denn?“.
Ich begann also von meinen
Kopfschmerzen, meiner Übelkeit, meinem Ekel vor fast allen Lebensmitteln zu
erzählen, und brach dabei unvermittelt in Tränen aus.
Die Ärztin sah mich an,
dann meinen Mann, lächelte und meinte nur:
„Ich würde also sagen, Sie fühlen
sich schwanger.“
Diese Aussage brachte mich noch mehr zum Heulen.
Natürlich
fügte sie schließlich hinzu, dass das alles normal sei und wieder vergehen
würde, meistens in der 12.-13. Woche. Ich würde mich bald an diese Worte
erinnern und sie verfluchen. Schließlich meinte sie:
„Na dann schauen wir uns
das mal aus der Nähe an, oder?“
So ging ich in die Umkleide, entledigte mich
meiner Klamotten, während mein Mann bei der Ärztin blieb und darauf
wartete, auch ins Untersuchungszimmer gehen zu dürfen. Was ich ehrlich nicht
wusste war, dass der 1. Ultraschall, zumindest in diesem frühen Stadium der
Schwangerschaft, intravaginal durchgeführt werden würde. Man stelle sich also
kurz vor: ich auf dem Untersuchungsstuhl, die Beine links und rechts
voneinander gespreizt aufgebahrt, von vorne also beste Sicht auf meine
Intimzone, und dann kommt die Ärztin rein, im Schlepptau mein Mann.
Natürlich hatten wir uns schon oft nackt gesehen, und natürlich hatte er
meine intimste Gegend auch bereits des Öfteren aus nächster Nähe betrachtet.
Dennoch weiß ich bis heute nicht, wer schockierter oder überraschter war: er
oder ich.
Ich erstarrte weil ich mir urplötzlich bewusst wurde, wie dämlich
diese Position wohl aussehen muss, und er, weil er vermutlich nicht damit
gerechnet hatte, mich so exponiert auf dem Untersuchungsstuhl vorzufinden.
Die
Ärztin löste diese eigenartige Situation relativ rasch mit einem: „bitte gehen
Sie zum Kopfende, von dort haben Sie auch den besten Blick auf den Ultraschall“
auf.
Gesagt getan, so stand er dann also neben mir und betrachte verwundert das
Untersuchungszimmer.
Den nächsten Schock hatte er, als er das Ultraschallgerät
sah. Er wusste ebenso wenig wie ich, dass der Ultraschall an diesem Tag „von
innen“ erfolgen würde. Ich bezweifle sogar, dass er bis zu dieser Minute
überhaupt wusste, dass es so was gibt. Man kann sich also die Entgeisterung in
seinem Gesicht vorstellen. Es war, als würde die Ärztin plötzlich ein
Schlachtmesser in der Hand halten und damit über meinem Bauch herumhantieren.
Und erst sein Gesichtsausdruck, als sie das Teil in mich einführte! Ich konnte
meinen Blick nicht von ihm wenden, bis die Ärztin schließlich verkündete:
„Aja,
na da kann man ja schon einiges sehen! Das hier ist der Dottersack, und hier,
das ist ihr Baby. Es hat momentan eine Größe von ca. 11mm, und sehen Sie hier,
das Flattern? Das ist der Herzschlag.“
Stille.
Noch nie hatte mich etwas so dermaßen überwältigt und vor allem
vergessen lassen, in welch exponierter Stellung ich mich eigentlich gerade
befand. Und auch mein Mann war hin und weg. Tränen liefen mir über das Gesicht,
und auch meine bessere Hälfte musste sich offenbar zusammen nehmen, um nicht
loszuheulen. Es war ein zauberhafter Moment. All die Übelkeit und das
Unwohlsein waren plötzlich Vergangenheit, und wir starrten wie gebannt auf den
Bildschirm des Ultraschallgerätes.
Wir hatten das also produziert. Betrunken
und nichtsahnend, dass der erste Schuss ein Treffer sein würde. Und nun saßen
wir gemeinsam hier und ein Mini-mini-Herzlein schlug auf einem Bildschirm, und
das aller irrste: in mir drin! Es war ein Wunder.
Nach der Untersuchung wurden noch Blut angenommen und ein paar Tipps
gegeben. Vor allem in Bezug auf meine zukünftige Ernährung. Ich möchte hier
offiziell feststellen, dass ich meine Frauenärztin spätestens ab dem Zeitpunkt
wirklich zu schätzen wusste. Sie sagte Dinge wie:
„Essen Sie was Sie wollen und
wonach Ihnen ist! Wenn Sie Marshmallows wollen, dann essen Sie diese! Ihr
Körper sagt Ihnen schon, was Sie brauchen.“
Oder auch:
„Vertrauen Sie Ihrem Körper.
Wenn Sie dies beherzigen, wird es Ihnen auch bald wieder gut gehen“.
Abschließend erhielt ich noch Schwangerschaftsvitamine und ein Bild des Babys,
damit waren wir entlassen. Nächster Termin SSW 12. Doch bis dahin war es noch
ein weiter Weg…
Schließlich entschieden wir uns, es zumindest mal den Eltern zu sagen.
Dazu gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Meine Schwiegereltern freuten
sich in der betont gelassenen und unemotionalen Weise, wie wir es gewohnt sind.
Und meine Mutter war das genaue Gegenteil. Sie flippte förmlich aus (dabei hat
sie ja schon zwei Enkelkinder) und freute sich wie ein kleines Kind, dass
wieder ein Baby in die Familie kommt.
Spannender waren die Reaktionen diverser Freunde und Freundinnen. Und
ohne Partei ergreifen zu wollen: mein Freundeskreis ist einfach der coolere.
Nichts gegen Menschen die am Land aufgewachsen sind, aber an nachfolgenden
Geschichten werdet ihr schon erkennen, was ich meine.
Daher will ich die Antworten
meiner FreundInnen auch nur kurz anführen. Meine beste Freundin freute sich
gelinde gesagt einen Haxen aus, und versprach sofort, uns mit einer ganzen
Menge Kinderspielsachen zu versorgen. Sie sähe das als ihre Lebensaufgabe, als
lustige Tante. Und zwar ganz nach dem Motto: je lauter und nervender das
Spielzeug für die Eltern, desto besser. Außerdem verlangte sie von mir, sie
niemals zu zwingen, meinen Bauch anzufassen. Dinge die sich da drin bewegen,
mit Ausnahme von Verdauungsvorgängen, fände sie unheimlich und erinnere sie zu
sehr an Aliens.
Ich kann jetzt schon verraten: ich konnte sie Ende 6. Monat dank
dem, wie sich bald herausstellen sollte, megalebhaften Kind in mir, das zudem
noch den Drang hatte, sich auch sichtlich bemerkbar zu machen, auf genialste
Art und Weise schockieren.
Der Rest des Freundeskreises reagierte, nun sagen wir gemischt, aber
alle positiv, auf ihre eigene verschrobene Art und Weise. Eine Freundin brach
in Tränen aus und schluchzte:
“Oh mein Gott, erst heiratest du, jetzt bekommst
du ein Kind, und ich? Ich werde übrig bleiben….aber ich freue mich so für
euch.“
Ein anderer Freund meinte gerührt:
„Jawohl!! Gut gemacht.“
Es gab auch
die eine oder andere Stimme die meinte:
„Das ging jetzt aber flott.“
Da man das
ja nun wirklich nicht verneinen konnte, wurde die „erster Schuss ein
Treffer“-Geschichte zum absoluten Renner und veranlasste viele im
Freundeskreis, nochmal über ihre mehr oder weniger fraglichen
Verhütungsmethoden nachzudenken.
Der Freundeskreis meines Mannes verhielt sich im Gegensatz dazu typisch
ländlich. Eine Reaktion wird mir für immer im Gedächtnis bleiben, und nicht nur
weil es mir zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon beschissen ging, sondern auch
weil ich es bis heute eine bodenlose Frechheit finde, was sich manche Menschen
herausnehmen.
Es war bei uns zu Hause, also in meinem eigenen Haus, meinen eigenen
vier Wänden. Besagter Freund kam auf einen Sprung vorbei, warum weiß ich nicht
mehr. Nachdem wir ihm die frohe Botschaft verkündeten, wollte er zunächst
wissen, wie weit ich denn sei, denn „man sollte da ja vorsichtig sein. Denn
wenn du es dann doch noch verlierst wäre das ja ziemlich doof, dass ich dir
schon zu deinem Glück gratuliert habe“.
Das war noch nicht das Schlimmste.
Es
folgten ein paar belanglose Kommentare zu Frauen, die die Hälfte ihrer
Schwangerschaft im Krankenhaus verbringen musste, Fehlgeburten und anderer
wunderbarer Geschichten, die jede werdende Mutter in diesem Stadium unbedingt
hören möchte.
Nachdem diese Tiraden beendet waren, verließ mein Mann kurz das Zimmer
um etwas zu holen.
Besagter Bekannte drehte sich zu mir um und meinte auf eine
süffisant machohafte Art und Weise:
„Na, mit Karriere ist es jetzt auch erstmal
vorbei. Jetzt wirst du mal 2 Jahre daheim bleiben und dann kommt vielleicht das
zweite Kind…“
Ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln und meinte nur:
„Äh,
nein, das glaube ich nicht mein Lieber.“ –
„Ach so? Na wirst schon sehen…“ –
„Bei uns bleibt der Mann zu Hause, und ich gehe arbeiten beziehungsweise teilen
wir uns die Karenz. Und ich gehe weiterhin meinem Beruf nach.“ –
„Wie bitte? Du
lässt dein Baby alleine daheim? Ich meine, stillen musst du ja auch, mindestens 1
Jahr, am besten länger!“ –
„Ich MUSS gar nichts, und außerdem ist das Baby
nicht alleine sondern bei seinem Vater. Und zwei Jahre bleibt von uns sowieso
keiner zu Hause, da wir vorhaben, unser Kind mit 1 Jahr in eine
Kindertagesstätte zu geben…“ –
„So früh wollt ihr das arme Kind schon
weggeben?“
Der Dialog ging noch eine Weile in dieser Art und Weise weiter, bis ich
schließlich wutentbrannt das Zimmer verließ, nicht ohne froh zu sein, dass
besagter Bekannte kurze Zeit später auch das Weite suchte.
Ich war schockiert und wusste nicht genau, wie ich jetzt reagieren
sollte. Da kommt ein Mensch zu Besuch und will uns erklären, wie wir gefälligst
alles zu machen haben und außerdem, dass das Leben der Frau mit Kindern sowieso
vorbei ist, Karriere geht ohnehin nicht und Mann beim Kind zu Hause, na das
kommt ja einer Vernachlässigung höchstens Grades gleich. Ich war sprachlos und
hatte anschließend zu allem Überfluss auch noch einen handfesten Streit mit
meinem Mann. Nicht, weil dieser nicht auf meiner Seite gewesen wäre. Nein, einfach weil ich sauer war, hormongesteuert, mir übel war und offenbar mein Leben jetzt vorbei sein würde. Und vor allem war ich sauer, dass solche Menschen mit meinem Mann befreundet waren.
Außerdem läutete dieser Vorfall eine Phase ein, von der ich in keinem
Buch oder Ratgeber jemals zuvor gelesen hatte. Jedenfalls nicht in diesem
Ausmaß und dieser Intensität: die Verdrängungsphase.
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