Donnerstag, 27. Februar 2014

SSW 20: Aufatmen! - oder "Der Tag, der ohne Übelkeit begann"

Ab einem gewissen Zeitpunkt meiner Schwangerschaft konnte ich alle, vermutlich gut gemeinten, Ratschläge nicht mehr ertragen. Wenn einem 24 Stunden am Tag schlecht ist interessiert es einen wirklich nicht, wie lange es bei Nachbarin xy gedauert hat und in welcher Intensität Arbeitskollegin xy die Übelkeit erlebt hat. Noch viel schlimmer sind Erzählungen wie: 
"Übelkeit? Mir ging es immer blendend! Total super, die ganze Schwangerschaft lang!" - meistens gefolgt von einer Erzählung über die traumatische Geburt. Keine Ahnung warum, aber offenbar hat sich über die Jahre die Mär entwickelt, dass Frauen mit tollen beschwerdefreien Schwangerschaften eine furchtbare Geburt haben müssen. Ganz ähnlich den Klischees: Spitzbauch = Bub, Sodbrennen = viele Haare, im Bauch lebhaft = ADS-Kind.
Wie auch immer erleichterte mir keine der Aussagen mein Unglück. Im Gegenteil, ich wurde dadurch nur aggressiv um anschließend in Selbstmitleid zu versinken.
Denn, Situation der nicht enden wollenden Übelkeit ist im wahrsten Sinn des Wortes einfach zum Kotzen. Niemand kann einem helfen, man kann nur hoffen, dass es besser wird.

Ich für meinen Teil hatte mit Ende des 3. Monats meine Hoffnung aufgegeben. Von allen Seiten tönte es:
„Ach, dir geht es immer noch schlecht? Oje, das ist aber ungewöhnlich….“
In meiner Fantasie habe ich nicht nur einmal "Lara Croft Kampfszenen" mit besagten KommentatorInnen nachgespielt. Das ein oder andere Mal war ich auch einfach nur Rocky in der letzten Kampfrunde gegen Drago in Rocky IV.
Sogar mein Allgemeinarzt, der mich immerhin zweimal eine ganze Woche aufgrund der Übelkeit und der Kopfschmerzen krank schreiben musste, schüttelte den Kopf und meinte nur ganz lapidar: 
„Sie haben ja echt den Jackpot der Schwangerschaftshormone ausgefasst. Wenn das Kind dann auf der Welt ist, ist das alles vergessen.“
Ehrlich? Ich vergesse das nicht. Punkt.

Mittlerweile war ich Schwangerschaftswoche 20 angekommen und hatte jegliche Hoffnung auf ein normales Leben ohne Würgegefühle, flauem Magen und Spontanerbrechen nach Autofahrten die länger als 10 Minuten dauerten aufgegeben. Man könnte sagen ich hatte mich abgefunden. Eine Schwangerschaft muss ja mal ein Ende haben, so wie jedes Flugzeug irgendwann und irgendwie wieder auf den Boden kommen muss.

Genau dann passierte es. Oder vielleicht genau deswegen, eben weil ich nicht mehr daran dachte und mich damit abgefunden hatte.
Ich wurde morgens wach und bemerkte, dass etwas anders war. Genau konnte ich es nicht beschreiben, es fühlte sich so eigenartig an, denn ich fühlte: nichts. Das dringende Bedürfnis, möglichst rasch das richtige Nahrungsmittel in meinen Mund hineinzuschieben bevor ich schon über dem Klo hing: es war weg!
Ich drehte mich zu meinem Mann um, rüttelte ihn unsanft wach und flüsterte:
„Es ist weg!!!“
Der kannte sich naturgemäß gar nicht aus und meinte nur:
„Hä?“
„Es ist weg! Mir ist nicht schlecht! Aber ich will es nicht zu laut sagen, sonst kommt es zum Schluss zurück….“
Das folgende Frühstück glich für mich einem Morgen im Schlaraffenland. Nicht, weil ich so viel Unterschiedliches zu mir nahm, sondern weil ich ganz normal am Tisch sitzen konnte, mir ein Müsli machte und nicht darüber nachdenken musste, ob mir nach dem 1. Bissen wieder übel wurde oder nicht, und vor allem, wann ich das nächste Mal eine Kleinigkeit essen müsste, um unvorhergesehenen Kotzaattacken zu entgehen. Ich war ausgeglichen, zufrieden und glücklich. Man weiß ja alltägliche "Situationen" erst zu schätzen, wenn man sie über einen längeren Zeitraum verloren hatte. Ich saß also am Tisch, grinste verträumt und erholt in mich hinein und erfreute mich ob des tollen Tagesbeginns.
Für alle die denken, das war’s dann also mit der Übelkeit: Es wäre nicht mein Leben, wenn die Regel, nämlich dass die Übelkeit quasi über Nacht komplett verschwindet, bei mir zutreffen würde. Nein, natürlich nicht, den einfachen Weg, den wollen wir nicht.
Das Problem der Übelkeit schlich sich bei mir aus. Zunächst waren meine Morgen befreit, nach und nach erweiterte sich der zeitliche Rahmen auf nach dem Mittagessen, schließlich war der Nachmittag erholsam und irgendwann, es muss in etwa die 23. Schwangerschaftswoche gewesen sein, war sie komplett weg.
Die Kopfschmerzen hielten im Übrigen noch bis zum Ende der 26. SSW aus. Schließlich verabschiedeten aber auch sie sich.
Momentan habe ich eine Kollegin, die in der 25. Woche schwanger ist, und es geht ihr wirklich schlecht. Aus meiner Misere habe ich gelernt, dass es am besten ist, nichts zu sagen. Kürzlich meinte ich zu ihr:
„Ich würde dir ja gerne irgendwas Sinnvolles erzählen, von wegen es wird besser und so. Aber da ich weiß, wie verhasst mir das war, sag ich einfach gar nix. Außer: schöner Scheiß.“

Sie nickte dankbar.

PS: an alle Frauen denen es wunderbar ging und geht in der Schwangerschaft: ich will euch ja wirklich nicht diskriminieren oder anfeinden. Irgendwann wird es eine Zeit geben, in der ich euch das gönne, dass ihr keinerlei Beschwerden hattet. Aber bitte: bindet das niemals einer Schwangeren auf die Nase, die gerade durch die Hölle geht! Das geht einfach gar nicht! Besser nichts sagen. Schwangere Frauen sind unberechenbar. Ich weiß das, ich bin eine. Und man kann nicht dafür garantieren, dass nicht vielleicht mal eine gut gemeinte Geschichte mit einer saftigen Ohrfeige beantwortet wird. 

Montag, 17. Februar 2014

Money money money - die Industrie hinter jeder Schwangerschaft

Nicht genug, dass ich mit allen möglichen hormonellen und körperlichen  Veränderungen zu kämpfen hatte. Zusätzlich wird man, sobald man „guter Hoffnung“ ist, vor zahlreiche finanzielle Entscheidungen gestellt. Damit meine ich nicht die Anschaffung von Mobiliar für ein Kinderzimmer, obschon die Kuriositäten in diesem Bereich auch grenzenlos zu sein scheinen. Nein.

Es beginnt alles mit der Möglichkeit, den kleinen wachsenden Menschen in sich quasi rund um die Uhr begutachten zu können und die Entwicklung des Lebewesens von A-Z zu kontrollieren. Ja, ich meine kontrollieren. Stichwort „pränatale Diagnostik“. Ich will hier gar keine (wissenschaftliche) Debatte über diese durchaus auch sinnvolle medizinische Errungenschaft herauf beschwören. Es ist mir sehr bewusst, dass dieser Fortschritt für einige Menschen durchaus seine Berechtigung und Sinnhaftigkeit hat. Dennoch fühlten wir uns als werdende Eltern zunächst einmal komplett überfordert und in zweiter Linie fast schon verpflichtet, im Wohle des Kindes, alle nur möglichen pränatalen Tests durchführen zu lassen. Als die Gynäkologin uns von den diversen Methoden erzählte, und das wir alsbald eine Entscheidung treffen müssen, welche wir nutzen möchten da es ansonsten „eng mit den Terminen in den Krankenhäusern werden kann“ fühlte ich mich schlichtweg unter Druck gesetzt. Daraus resultierend war meine erste Reaktion, an meinen Mann gerichtet:
„Machen wir alles. Nackenfaltenmessung (€60,-), Combined Test (€200,-), Organscreening (€150,-) und sollten Folgeuntersuchungen notwendig sein, diese auch. Und einen 3D-Ultraschall will ich auch, egal was es kostet, ich will ja wissen, wie mein Baby aussieht!!!“
Man bekommt also einen Zettel mit, auf welchem alle möglichen Untersuchungen draufstehen, kreuzt die gewollten an, und gibt den Zettel alsbald wieder bei der Gynäkologin ab.
Zwei Wochen später stand ich vor der Sprechstundenhilfe, kleinlaut um ein neues Formular bittend.
Wir hatten einfach zu viel herumgekritzelt und im Endeffekt war nicht mehr zu erkennen, was wir jetzt wollten oder ob wir überhaupt irgendetwas wollten.

Schlussendlich haben wir uns, nach reiflicher Überlegung, gegen alle zusätzlichen Untersuchungsmöglichkeiten ausgesprochen. Warum? Die Frage ist doch immer: was mache ich, wenn es eine Wahrscheinlichkeit für eine Missbildung/Behinderung gibt? Manche Tests werden zu einem Zeitpunkt durchgeführt, der weit jenseits des Befruchtungsdatums liegt. Soll heißen, dass Baby wäre zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon spürbar. Und dann treibe ich es noch ab, aufgrund einer Wahrscheinlichkeit? Ich kritisiere hier niemanden, der diese Möglichkeit wahrgenommen hat. Wir haben uns dagegen entschieden, und ich bin heilfroh, denn ganz ehrlich, nachdem sich der kleine Racker in mir das erste Mal bemerkbar gemacht hatte, hätte ich nie und nimmer aufgrund einer Wahrscheinlichkeit eine Abtreibung durchführen lassen können. Dann doch lieber „nur“ die vorgeschriebenen Tests und Ultraschalltermine. Geld gespart haben wir auch. Und zwar eine Menge.

Aber es geht ja noch weiter! Wie bereits erwähnt werden Schwangere ja in allen Bereichen der Industrie aufs Korn genommen. Das beginnt bei der Vermarktung von speziellem Öl zur Verhinderung von Schwangerschaftsstreifen. Je teurer, desto besser wird suggeriert. Würde ich all diese Produkte ernsthaft kaufen, ich schwöre, ich würde kurz vorm Privatkonkurs stehen. €25,- für eine kleine Flasche Öl? Echt? Und die vollbringt dann Wunder? Gut, ich bin ja generell nicht der Typ für teure Kosmetika, und auch die Anzahl der Produkte in meinem Badezimmer lassen sich an einer Hand abzählen. Aber wieviel Geld man für den Gag der „Verhinderung von Schwangerschaftsstreifen“ ausgeben kann, ist ja fast schon skurril. Liebe Frauen, es ist wissenschaftlich belegt, dass es zunächst einmal auf die Beschaffenheit des Bindegewebes ankommt und zweitens regelmäßiges eincremen zwar helfen KANN aber nicht MUSS, diesen unerwünschten Makel einzudämmen. Denn wenn die Veranlagung dazu da ist, hilft auch eine Creme um €25,- nichts mehr. Selbst wenn du darin badest. Eincremen ist natürlich gut und notwendig für die strapazierte Haut in der Schwangerschaft, aber dazu reicht (laut Hautarzt) jedes Hautöl, sogar stinknormales Olivenöl kann man nehmen oder die billigste Hautcreme vom Lidl. Punkt.

Munter weiter geht das Geld-ausgeben schließlich bei Dingen, die Baby laut Werbung dringend braucht. Eine extra Wickelkommode muss her (im Endeffekt eine stinknormale Kommode mit ein paar Laden), die, vermutlich aufgrund der Namensgebung, nicht unter €200,- zu haben ist. Ein Babyschrank (also ein gewöhnlicher Kleiderschrank), eine Babybadewanne (bekommt man zwar schon günstig und braucht man unbestritten auch, es gibt jedoch Modelle um sage und schreibe €150,-. Was die dann genau anders machen, konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht baden die das Baby von selbst. Oder haben Internetanschluss.), gefolgt von Babyphones mit Bildschirm und Nachtsichtmodus, damit man das Baby auch IMMER im Blick hat. Kostenpunkt €150,-. Ehrlich, da muss man doch den Kopf schütteln und sich wundern, oder? Auch eine interessante Erfahrung ist der Versuch, sich einen Kinderwagen anzuschaffen. Es gibt Modelle, die kosten €1000, und können gar nix, außer fahren. Die kann man nicht mal umbauen. Ich weiß nicht, wofür man das ganze Geld in diesem Fall bezahlt. Aber vermutlich ist auch hier irgendwo etwas ganz besonders tolles eingebaut, oder der Stoff ist ganz besonders exotisch und trendy. Ich weiß es nicht. ich kann ob dieses Wahnsinns nur meinen Kopf schütteln. Soviel Geld könnte ich gar nicht haben, dass ich alles in solch unnötige Anschaffungen investieren würde. Jedoch kann ich nachvollziehen, dass man durchaus verführt ist, sich das teuerste vom teuersten anzuschaffen um auch wirklich „nur das Beste für das Baby“ zu wollen.  Bei manchen Dingen war auch ich geneigt, den einen oder anderen Euro zu viel auszugeben. Gott sei Dank habe ich jedoch einen sehr vernünftigen und pragmatischen Mann, und eine Mama sowie Freundinnen, die ehrlich sind. Stichwort Wickelkommode (mein favorisiertes Modell hätte €250,- gekostet).
Oh-Ton Mama:
„Um ehrlich zu sein, ich hatte eine. Aber genutzt hab ich sie nie. Das war zu unpraktisch. Ich hab dich gerne am Boden auf einer Decke oder am Küchentisch mit einer darunterliegenden Wickelauflage gewickelt. Und sobald du gekrabbelt bist war an ein wickeln in aller Ruhe sowieso nicht mehr zu denken. Spar dir das Geld und besorg dir eine Wickelunterlage.“
Dank eine lieben Freundin hab ich so ein Ding jetzt daheim. Kostenlos.

Gerne zitiere ich auch wieder einmal meine Oma:
„Mein Gott, deine Mutter hat am liebsten im Wäschekorb geschlafen. Für das Baby zählt sowieso nur, das es bequem ist und dass eine Bezugsperson da ist. Ob das Ding jetzt €500,- gekostet hat oder ausgeliehen ist, ist einem Kind vollkommen schnurz.“

Auch im Sinne eines Umweltgedanken finde ich die Idee vom Ausleihen oder Gebrauchtes schenken lassen gar nicht schlecht. Dem Kind ist es egal, mir auch, wir sparen Geld und die Umwelt wird geschont. Ist doch perfekt, oder?

Für diejenigen, die keine Freundinnen, die bereits Mütter sind, haben: es gibt wunderbare Tauschportale oder Flohmärkte im Internet zu finden. Gibt es was Besseres?

Montag, 10. Februar 2014

Die Diktatur der Werbeindustrie: schlank sein, schlank bleiben, auch in der Schwangerschaft!

Irgendwie war ich ja erleichtert. Zumindest die arbeitsrechtliche Geschichte war erfolgreich zu Ende gegangen und auch die Verdrängungsmechanismen schienen weniger zu werden. Zumindest konnte ich mittlerweile wieder über meinen Zustand sprechen. Was allerdings sicherlich auch mit gewisser Resignation zu tun hatte. 
Eine Menge Menschen sehen in einem sobald man schwanger ist nur noch die Schwangere. Dementsprechend eingeschränkt ist der Themenbereich der Gespräche. Selbst ein Sturschädel wie ich schafft es nicht, auf Dauer in Gesprächen von diesem einen großen Thema abzulenken und mühsam den Gesprächsverlauf in eine andere Ecke zu lenken. Das ist einfach furchtbar anstrengend, und wenn man ohnehin schon den ganzen Tag mit Übelkeit, Kopfschmerzen und diversen anderen Mühseligkeiten zu kämpfen hat vermeidet man mit der Zeit jegliche weitere Anstrengungen. Meine Strategie war also, ganz nach dem Rat meiner Mutter: lächeln, nicken und versuchen, auf diverse kontrovers zu diskutierende Themen nicht eingehen.
Wenn das so einfach wäre. Zumindest hatte ich nach 17 Wochen Schwangerschaft gelernt, an guten Tagen oh-Töne von wegen „na wenn das Kind erstmal da ist, wird dein Mann kaum mehr zu Hause sein…“ oder „sobald das Kind da ist, wirst du es gar nicht mehr deinem Mann anvertrauen wollen, da ist man zu sehr Mutter…“ zu ignorieren. 
Alles im übrigen Aussagen, die genauso getätigt wurden. Von erschreckenderweise Menschen in meinem Alter (+/- 8 Jahre. Wenn man mal die 30er Grenze überschritten hat, wird man ja tolerant gegenüber Altersunterschieden).
Witzigerweise hatte in der Zwischenzeit mein Mann begonnen, auf solche Aussagen vehement und fast schon aggressiv zu reagieren. Wer ihn kennt weiß: er ist eher der ruhige Typ, kann unqualifizierte Aussagen einfach überhören (was sich in diversen Streitsituationen auch für mich bereits als Vorteil erwiesen hat) und nichts bringt ihn so schnell aus der Ruhe. 
Was war ich überrascht, als er einer Verwandten mit den Worten „Kannst du mal aufhören, ständig so einen Scheiß zu verbreiten?“ über den Mund fuhr. Überrascht und stolz. So kannte ich ihn nicht, und es war eine ungemeine Erleichterung für mich zu sehen, dass ihn stereotype Aussagen genauso aufregten wie mich. Schön.
Wenn es um gutgemeinte Ratschläge und Tipps rund ums schwanger sein und die Zeit danach geht halte ich mich ja gerne an meine Oma. 
Warum? 
Erstens hat sie nie ungefragt Ratschläge erteilt. Solche Menschen hab ich in den letzten Monaten einfach enorm zu schätzen gelernt. Und sollte man doch mal nachfragen, dann kommt die schonungslose Wahrheit, gepaart mit einem: 
„Kind, im Endeffekt müssen dein Mann und du selbst herausfinden, wie es für euch am besten ist. Ihr lebt in einer Zeit, in der alles möglich ist. Bei mir uns war das damals noch nicht so.“

Besonders gefährliches Terrain für von Schwangerschaftsbeschwerden geplagte Frauen ist im übrigen das Gewicht. Ich weiß ja nicht genau warum, aber auch das hatte ich erfolgreich verdrängt. Mit das meine ich die unvermeidliche und notwendige Gewichtszunahme. 
In einer Gesellschaft in der sich alles nur noch ums „abnehmen“ und „wie kann ich fünf Kilo in fünf Tagen verlieren“ dreht, verdrängt man sowas ja schnell mal.
Eines Abends saß ich also da, sinnierte so vor mich hin, surfte wahllos durch Internet, als mir plötzlich ohne besonderen Grund einschoss: ich bin schwanger, ich werde zunehmen und einen Bauch bekommen! 
Als wäre das die Neuigkeit des Jahrtausends gewesen. 
Aber: ich traute meiner Intuition nicht. Ja, ich weiß, vielleicht denkt ihr jetzt „oh Mann, wie dämlich ist die denn“? 
Was soll ich zu meiner Verteidigung schon großartiges sagen? 
In Panik rief ich meine Mutter an um mir diesen Umstand bestätigen zu lassen. Das lief in etwa so ab.
„Mum, ich werde fett werden, richtig?“ gefolgt von schluchzen, heulen und schniefen.
„Kind, natürlich wirst du zunehmen und einen Bauch bekommen. Aber wenn du nicht gerade wie ein Mähdrescher reinfrisst, wirst du nicht fett werden. Und selbst wenn, dann nimmst du das Gewicht nachher halt wieder ab? Was war ich damals froh, dass ich endlich ohne schlechtes Gewissen essen durfte was ich wollte?“ – Dann lachte sie auf.
Und ich schluchzte noch lauter.
„Aber Mum, ich will nicht fett werden! Fett und hässlich! Unansehnlich! Alle werden mich ansehen und auslachen!“ – ich nehme an, dass ich dann noch eine Weile in Selbstmitleid zerfloss, unterbrochen von schluchzenden und schniefenden Geräuschen.
Irgendwann reichte es meiner Mutter und sie sagte laut und streng ins Telefon:
„Jetzt reiß dich mal zusammen! Seit Millionen von Jahren werden Frauen schwanger, nehmen zu und wieder ab, und das ist das natürlichste der Welt. Und wenn jemand zu dir sagt du seist fett dann ist er sowieso ein Vollidiot. Du wirst sehen, wenn du das Baby einmal spürst, wirst du auch deinen Bauch mögen. Und das aller genialste wird dann das Gefühl nach der Geburt sein: da denkst du, du bist plötzlich leicht wie eine Feder! Dann hast du den kleinen Scheißer auf dem Arm und ein paar Kilo mehr sind auch wurscht, abgesehen davon das in unserer Familie alle nach der Geburt wieder schlank und rank waren wie eh und je. Und jetzt lass dir ein Bad ein, entspann dich und hör auf dich da so rein zu steigern.“
Bumm, das hatte gesessen.

Wochen später bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Mama und Oma sowie großem Bauch erwähnte ich mal, dass ich mich wie ein Wal fühlen würde. Meine Oma lachte laut auf und meinte nur:
„Wart mal noch 6 Wochen, dann fühlst du dich wie ein Seeelefant und dein Mann muss dir die Socken anziehen.“
Zu diesem Zeitpunkt fand ich das schon wieder witzig.

Vor kurzem fiel mir ein Artikel in die Hände, in dem es um den Trend von schwangeren Frauen ging, so wenig Kilos wie möglich zuzunehmen und die daraus resultierende Entwicklung von Essstörungen in der Schwangerschaft. Ich muss ja ehrlich zugeben, dass mich das nicht mal wundert.
Die Gesellschaft und die lieben Männer (so sehr ich eure Rechte und Anliegen verstehen kann und euch immer gerne verteidige, aber in dem Punkt müssen einige noch viel lernen) machen einem den natürlichen Umstand der Schwangerschaft wirklich oft zur Qual.
Ich erinnere mich an ein Klassentreffen, bei welchem ein ehemaliger Mitschüler mir erzählte:
„Sei froh, dass dir so schlecht ist und du nix essen kannst. Meine Frau hat 25kg zugenommen in der Schwangerschaft, dass muss sie jetzt erstmal wieder loswerden.“
Aussagen wie diese finde ich schrecklich. Na und? Dann hat sie eben einen kleinen Polster angelegt während der anstrengenden Zeit des schwanger seins. In vielen Fällen war die Frau vor der Schwangerschaft sowieso sehr schlank und idealgewichtig, da muss und darf das sein, dass man etliches zunimmt. Und wer sind wir, dass wir uns nur noch über Kilogrenzen und Body-Mass-Index definieren?

Eine meiner Lieblingsgeschichten was Frauenkörper und Schwangerschaft betrifft ist die eines Bekannten, der auf einem Männerabend lapidar das Folgende von sich gab:
„Ich bin ja eigentlich froh, dass meine Frau kleine Titten hat. Denn wenn sie große hätte, und dann werden die in Schwangerschaft noch größer, was glaubst wie hässlich die dann hängen. Dann lieber von vorn herein kleine.“
Ja, mein Mann erzählt mir alles.
Ich war gelinde gesagt leicht geschockt von der Oberflächlichkeit mancher Männer. Gibt übrigens auch Frauen die solche Dinge von sich geben. Vermutlich ist das Neid. Ich weiß es nicht. Aber wenn wir schon so oberflächlich sind: auch kleine Brüste können hängen. 
Und wenn das größte Problem eines Mannes oder einer Frau der Zustand der Brüste ist, dann sollten die sich sowieso mal eine Therapie oder etwas dergleichen überlegen. Da stimmen dann sicher etliche andere Sachen auch nicht.

Millionen von Euro werden in die Schönheitsindustrie geblasen, damit Frauen sich „schöner“ machen: Brustvergrößerungen, Bruststraffungen, Fett absaugen. Bloß nicht menschlich sein, immer einem Ideal hinterherhecheln, nur nicht altern und vor allem: nicht zulassen, dass irgendetwas hängt.
Liebe Männer, glaubt ihr, dass eure Geschlechtsteile mit dem Alter nicht zu hängen beginnen und ekelhaft aussehen?
Liebe Frauen, glaubt ihr, dass ein straffer Busen aus euch tatsächlich einen besseren und erfolgreicheren Menschen macht?
Ich will jetzt gar nicht verschweigen, dass auch ich diesem Trugschluss schon des Öfteren erlag. In der heutigen Zeit schwanger sein, hilflos zusehen müssen wie die Kilos auf der Waage plötzlich in Bereiche wandern, von denen man nur aus Filmen weiß, ist hart und erfordert ganz schön viel Selbstvertrauen.
Das Internet ist voll mit „Gewichtsrechnern für die Schwangerschaft“ und erschreckender Weise scheinen auch etliche FrauenärztInnen bereits auf diesen Zug aufgesprungen zu sein.
Da lobe ich mir die meinige, die geduldig da sitzt, mich ansieht und sagt:
„Sollten Sie tatsächlich gesundheitsgefährdend viel zunehmen, dann schrei ich schon, keine Sorge. Aber so lange ich das nicht tue, konzentrieren Sie sich auf Entspannung und auf das Baby, und vergessen Sie die Anzeige auf der Waage.“
Das verhindert zwar nicht die Angst vor zu viel Gewicht, aber beruhigt.

Aja, und noch was: ein Mann, der in einem in der Schwangerschaft sagt „man solle bloß nicht zu viel essen und zunehmen“, den setzt man am besten vor die Tür. Solche Idiotien hat man dann doch wirklich nicht nötig.

Sonntag, 9. Februar 2014

"Schwanger? Für das Unternehmen zu kompliziert!" - oder wie ich beinahe meinen Job aufgrund der Schwangerschaft verlor


Schwangerschaftswoche 12 neigte sich dem Ende zu, Familie und Freunde wussten Bescheid, ich hielt ein ärztliches Attest in Händen und damit war es auch an der Zeit, den Arbeitgeber zu informieren. Das hatte mir schon vor Wochen zusätzliche Kopfschmerzen bereitet, doch nun gab es kein Entrinnen mehr. Ich konnte ja schlecht warten, bis mein Riesen-Bauch es ohnehin jedem verraten würde.
Warum machte mir das Bauchschmerzen? Mein Arbeitgeber hatte bereits Mitte des Jahres eine Kollegin aufgrund von Schwangerschaft gekündigt. Diese Aktion war natürlich rechtlich nicht gedeckt, aber wie ich feststellen musste, lassen sich Frauen ja einiges gefallen. Selbst wenn sie die Möglichkeit hätten, sich zu wehren.
Ich rechnete also bereits mit einer ähnlichen Aktion in meinem Fall, hatte also zumindest den Vorteil, mich rechtlich gründlich zu erkundigen.
Der Termin war schließlich vereinbart, und ich stapfte nervös und nicht ohne vorher unfreiwillig meinen Magen vom Frühstück zu befreien, zur Chefin.
Dieses erste Gespräch verlief noch relativ harmlos. Ich teilte mittels ärztlicher Bestätigung meine Schwangerschaft samt voraussichtlichem Geburtstermin mit, meine Vorgesetzte quittierte dies mit einem „Aja….“ Und zeitverzögert: „Gratuliere.“ und ließ mich wissen, dass ich ja eine erneute Befristung erhalten hatte und damit mein Beschäftigungsverhältnis während der Karenz enden würde.
Leicht verwirrt erklärte ich, dass meine ursprüngliche Befristung, welche bis Ende des Jahres 2013 hätte dauern sollen, ja mit Ende September verlängert worden war, das 2 befristete Dienstverhältnisse hintereinander gesetzlich nicht erlaubt sind und ich somit in einem unbefristeten Dienstverhältnis stehen würde. Den Kommentar zur Karenz verkniff ich mir vorerst.
Es folgte kurze Stille und schließlich die Information, dass sie sich da selbst rechtlich erkundigen müssen und mir dann Bescheid geben würde. Damit war das Gespräch vorerst beendet und ich etwas erleichtert.

Eine Woche später wurde ich wieder in die Chefetage gerufen. Was dort folgte, waren 20 Minuten von denen ich hoffe, dass sie keiner schwangeren Frau, nein, keinem Menschen jemals passieren.
Da ich mit dem Schlimmsten rechnete, hatte ich mit zuvor nochmals Unterstützung der Gewerkschaft zugesichert.
Kaum ins Büro eingetreten, wurde mir unverblümt und in unglaublicher, fast schon bösartiger Manier, das folgende mitgeteilt:
Man habe sich in der Führungsetage über meinen Fall unterhalten und sei zu der Entscheidung gekommen, dass es für das Unternehmen viel zu kompliziert sei, eine schwangere Mitarbeiterin zu behalten. Immerhin müsste ich ja in Mutterschutz gehen und danach wäre ich Jahre lang in Karenz und das sie für das Unternehmen einfach nicht tragbar.
Ich unterbrach meine Chefin mit den Worten:
„Wer sagt, dass ich in Karenz gehe?“ –
„Na das ist doch die normale Vorgangsweise…“ –
„In meinem Fall nicht. Mein Mann und ich haben vor, uns die Karenz zu teilen bzw. kann es sein, dass er die Karenz alleine in Anspruch nimmt und ich gleich nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehe.“ –
„Aja. Das ist ja dann noch komplizierter für das Unternehmen. So wissen wir ja gar nicht, wann du zurück kommst und müssten für unbestimmte Zeit einen Ersatz suchen. Jemanden aus dem Unternehmen können wir ja nicht auf deine Stelle setzen, da dein Verdienst ein anderer ist. Das wäre der wirtschaftliche Ruin für uns. Jemand neuen einstellen ist viel zu kompliziert. Also nein, wir müssen das Dienstverhältnis mit Beginn des Mutterschutzes auflösen.“

Gut, ich hatte zwar bereits mit Widrigkeiten gerechnet, dass mir jedoch von einer Frau und zweifachen Mutter einfach so im Detail (und das hier war die Kurzversion) ins Gesicht geschmettert wird, wie untragbar schwangere Frauen für ein Unternehmen doch sein, schockierte sogar mich. Ich rang um Luft und hörte mein Herz dermaßen laut klopfen, dass ich Angst hatte, man könnte es noch am anderen Ende der Welt hören.
Ich sammelte mich und antwortete, in einer mir sehr untypisch ruhigen, sachlichen und bestimmten Art und Weise (ich muss zugeben, ich neige dazu laut zu werden und meinen Standpunkt super-vehement zu verteidigen):
„Zunächst möchte ich feststellen, dass ich vom Unternehmen im Gesamten und von dir als Frau und Vorgesetzte im Speziellen schwer enttäuscht bin. Das ein soziales Unternehmen mit einem Frauenanteil von knapp 90% so mit Schwangeren umgeht ist schlichtweg unglaublich und eine Frechheit. Nichts desto trotz möchte ich dich darauf aufmerksam machen, dass alles was du mir eben gesagt hast, rechtlich nicht gedeckt ist und ich dies daher nicht auf mir sitzen lassen werde.“
Leicht pikiert starrte meine Vorgesetze mit an und fragte:
„Heißt das nun, dass du deine rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wirst?“-
„Ja, darauf kannst du dich verlassen. Ich hätte außerdem gerne ein Protokoll dieses Gespräches, in welchem im Detail angeführt wird, dass ich aufgrund der Schwangerschaft nicht mehr tragbar bin und dass meine im September vereinbarte Umwandlung der Befristung in ein unbefristetes Dienstverhältnis aufgrund meiner Schwangerschaft zurückgezogen wird.“ –
„Mach ich.“
Unnötig zu sagen, dass ich dieses Protokoll nie bekam.

In meinem Büro angekommen musste ich erstmal gegen die aufsteigenden Tränen und die unbändige Wut ankämpfen. Soviel Ungerechtigkeit, selbst in vorbereitetem Zustand, war für meine Nerven einfach zu viel. Ich steckte ohnehin gerade in massiver Verdrängung und dann konnte ich mir auch noch von einer Frau anhören, wie untragbar man schwanger doch sei. Nachdem sich mein Schluchzen gelegt hatte rief ich bei der Gewerkschaft an und besprach die weitere Vorgangsweise.

Ich erspare euch die Details, das würde einfach zu weit führen. Nur so viel sei gesagt: solche Aktionen sind in Österreich offenbar an der Tagesordnung, was mir gleich den nächsten Schock versetzte. 
Man bat mich, eine detaillierte Zusammenfassung der Ereignisse, von Bekanntgabe der Schwangerschaft bis zum heutigen Gespräch aufzuschreiben und inklusive meiner Dienstverträge via Mail der Gewerkschaft zu übermitteln.
Der Rest ist Geschichte.
Es wurde ein Brief an die Geschäftsleitung verfasst, in welchem die Diskriminierung dargelegt wurde und dass das Unternehmen zwei Wochen Zeit hätte, seine Entscheidung zu revidieren. Andernfalls würde Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingereicht. Das Unternehmen gab nach 10 Tagen klein bei, und erklärte in einer Email, dass man da was falsch verstanden hätte und ich natürlich wie alle anderen MitarbeiterInnen behandelt werden würde und dementsprechend mit Januar 2014 in einem unbefristeten Dienstverhältnis sein werde.
Alles ging also gut aus.

Die beiden Wochen, in denen ich darauf warten musste, ob es nun zur Klage kommt oder nicht, waren jedoch der reine Horror. Schlaflose Nächte, die ohnehin vorhandene permanente Übelkeit, die unnachlässigen Kopfschmerzen, und dazu die immer noch fehlende Abgrenzung zu all den Menschen, die einem suggerieren wollen, dass mit Kind das Leben vorbei sei, waren einfach zu viel.
Die Erleichterung, dass ich im Recht war dafür schließlich umso größer.

Natürlich wurde ich von der Chefetage ab diesem Moment gemieden und auch nicht mehr am Gang gegrüßt. Das war mir dann aber herzlich egal. Ich hatte mich erfolgreich gegen die Diskriminierung zur Wehr gesetzt, und somit ein Zeichen für alle anderen Frauen, die in der gleichen Situation stecken, gesetzt.

Samstag, 8. Februar 2014

Die Verdrängungsphase oder SSW 13 ff.

Es war ein Sonntag. Ich war bereits aufgestanden gewesen, hatte Tee getrunken, eine Kleinigkeit gegen die unaufhörliche Übelkeit gegessen, den leichten Kopfschmerz bemerkt, Musik gehört und mich gefragt, wie schlimm das Kopfweh heute wohl noch werden würde und ob ich nach dem Mittagessen kotzen würde oder nicht. 
Dann war er auf einmal da. Der Gedanke, das Gefühl, ja die Gewissheit: ich will nicht mehr.

Ich stand wie paralysiert auf, ging wieder zurück ins Bett, kuschelte mich unter die Decke und begann zu schluchzen und zu weinen. 
Mein Mann realisierte erst ein paar Minuten später, dass ich aus dem Schlafzimmer wohl nicht mehr zum Frühstückstisch zurückkehren würde. Keine Ahnung was in ihm wohl vorgegangen sein mag, als er mich so sah. 
Was in mir vorging wusste ich dagegen ganz genau. Ich wollte nicht mehr schwanger sein. Ich hatte es satt. Ich war müde, ausgelaugt, mir war übel, ständig hatte ich Kopfschmerzen, die Menschen rund um mich herum sahen in mir nur noch „die Schwangere“. Nicht mehr den Menschen, die Freundin, die qualifizierte Frau. Ich wurde reduziert, und zu allem Überfluss wurde mir auch noch suggeriert, dass ich ab sofort nur noch Mutter sein würde. 
Meine Beziehung würde den Bach runter gehen, mein Körper ausgeleiert und unansehnlich werden. Meine Karriere würde sich in Luft auflösen, mein Leben würde sich nur noch um die Themen „stillen, wickeln und Babykram im allgemeinen“ drehen, Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten waren für immer und ewig abgeschrieben, genauso wie hemmungsloser, guter Sex und Zeit für meinen Mann und/oder mich selbst. 
Ja, mein Leben war mal eben so vorbei. Das sagten sie mir alle. Das hörte ich von allen. Sonst nichts. 
Das Rauschen in meinem Kopf wurde unerträglich laut, ich konnte regelrecht fühlen, wie schwabbelig mein Bauch und mein Busen sein würden, sah mein Leben an mir vorbei ziehen und wäre am liebsten einfach abgehauen.
Mein Mann saß hilflos neben mir und fragte unschuldig: “was ist denn los?“

Meine genaue Reaktion weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich mich abdeckte und ihm all das an den Kopf warf. Dass seine Freunde Idioten seien, das mein Leben vorbei wäre, dass er gut reden hätte und stolz herum laufen könnte, denn er würde nicht ausgeleiert und musste nicht ein Baby an seinem Busen stillen, weil es nämlich die Gesellschaft so verlangte. Er wäre nicht die Rabenmutter, weil man das Kind in eine KITA geben möchte, er wäre nur derjenige, der eine Affäre hätte, weil er es daheim nicht mehr aushalten würde mit seiner ausgeleierten Frau mit Hängebusen, die keine Karriere mehr hat und nur noch über vollgeschissene Windeln und das beste Kinderwagenmodell sprechen konnte.

An irgendeiner Stelle war ich wohl aufgesprungen und hatte lauthals gebrüllt, dass ich nicht mehr wolle. Das es reiche. Das ich keine Lust darauf hätte, und einfach nicht mehr will.
Er wollte mich trösten, aber das konnte er nicht. Er hätte es so oder so nicht gekonnt, egal was er gesagt oder getan hätte. Das war mein Kampf, mit dem er in Wahrheit gar nichts zu tun hatte. 
An einem Punkt starrte er mich an und schrie: „Willst du jetzt abtreiben?“ und auf eine schockierende Weise war ich in diesem Moment nicht sicher, ob ich das nicht wirklich wollte.

Ich weiß, es hört sich schrecklich an. Vielleicht denkt sich jetzt die eine oder andere: oh mein Gott, was ist diese Frau bloß für ein Psychowrack.
Dennoch bin ich mir sicher, dass sich einige von euch in meinen Schilderungen wiederfinden werden.

Diese Phase war hart und ich ging an meine Grenzen. Ich saß eine Woche nach diesem Vorfall bei meiner Gynäkologin und brach in Tränen aus. Meine Mutter rief ich an um ins Telefon hineinzubrüllen, dass sie ja sowieso keine Ahnung hätte was ich durchmachen würde. 
Doch meine Mutter hatte eine Ahnung und nahm meine Ausbrüche gelassen und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit hin. 
Vor allem lernte ich von ihr das Eine: grenze dich in der Schwangerschaft ab. Mach die Dinge, wie sie für dich selbst gut sind. Kein Ratgeber der Welt und auch keine andere Mutter der Welt kann dir sagen, was für dein Baby, deine Ehe oder dich das Beste ist. Es wird immer Menschen geben, die glauben sie wissen es besser, die dir Tricks und Tipps geben wollen und es vermutlich gut meinen damit. Aber sie machen es in den meisten Fällen nicht besser. Hör auf deinen Instinkt. Menschen, die nicht gut sind für dich (und das findet man in einer Schwangerschaft schneller heraus als einem lieb ist): meide sie.


Diese Phase zu überwinden war nicht einfach, und es konnte mir auch niemand damit helfen. Meinem Mann sagte ich, dass ich ab sofort nicht mehr über die Schwangerschaft reden wollte, und dass er dies zu akzeptieren habe. Er tat dies und ich weiß jetzt, wie schwer ihm das damals fiel. Aber anders hätte es für mich nicht funktioniert. Ich musste dieses Dilemma mit mir selbst ausmachen. Alle, die mit mir über die Schwangerschaft reden wollten, blockte ich ab. Mit einigen Freundinnen tauschte ich mich via Mail über meinen Zustand aus, und das fiel mir bedeutend leichter als das persönliche Gespräch. Ich konzentrierte mich auf meine Arbeit, und das war auch notwendig, denn wie sich herausstellte wartete genau in dieser furchtbaren Phase die nächste Hürde auf mich....

"Wir sind schwanger" oder Schwangerschaftswoche 8-12

Dadurch, dass die Schwangerschaft bevor wir auf Urlaub fuhren noch relativ frisch war, entschlossen mein Mann und ich, noch niemandem von unserem kleinen Geheimnis zu erzählen. Außerdem war zumindest ich richtiggehend verunsichert ob der vielen negativen Meldungen, die sich in den letzten Monaten in meinem Bekanntenkreis zum Thema Schwangerschaft gesammelt hatten. 
Da war durchgehend von Fehlgeburten die Rede, von „Scheinschwangerschaften“ und von schweren Blutungen und dementsprechendem Zwang, die gesamte Schwangerschaft in einem Bett zu verbringen, bei welchem vorzugsweise der Kopf niedriger lag als die Beine. 
Man kann also eigentlich sagen, dass ich mit allem rechnete, nur nicht damit, dass alles okay sein würde.

Wir wollten also mit der Meldung an alle Verwandten und Freunde warten, bis wir den ersten Arzttermin erledigt und somit die schriftliche Bestätigung in Händen hielten. Dieser erste Termin fand am Tag nach Rückkunft aus dem Urlaub statt. Wir erinnern uns: mein Allgemeinzustand war, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Kotzen, und auch ansonsten fand ich an dem Schwangerschaftsgedanken eigentlich noch nichts wirklich Prickelndes.

Wir wurden also gemeinsam ins Besprechungszimmer gerufen, und die Gynäkologin begrüßte uns mit einem fröhlichen: 
„So, die Periode ist also ausgeblieben, ja? Wie fühlen wir uns denn?“. 
Ich begann also von meinen Kopfschmerzen, meiner Übelkeit, meinem Ekel vor fast allen Lebensmitteln zu erzählen, und brach dabei unvermittelt in Tränen aus. 
Die Ärztin sah mich an, dann meinen Mann, lächelte und meinte nur: 
„Ich würde also sagen, Sie fühlen sich schwanger.“ 
Diese Aussage brachte mich noch mehr zum Heulen.

Natürlich fügte sie schließlich hinzu, dass das alles normal sei und wieder vergehen würde, meistens in der 12.-13. Woche. Ich würde mich bald an diese Worte erinnern und sie verfluchen. Schließlich meinte sie: 
„Na dann schauen wir uns das mal aus der Nähe an, oder?“
So ging ich in die Umkleide, entledigte mich meiner Klamotten, während mein Mann bei der Ärztin blieb und darauf wartete, auch ins Untersuchungszimmer gehen zu dürfen. Was ich ehrlich nicht wusste war, dass der 1. Ultraschall, zumindest in diesem frühen Stadium der Schwangerschaft, intravaginal durchgeführt werden würde. Man stelle sich also kurz vor: ich auf dem Untersuchungsstuhl, die Beine links und rechts voneinander gespreizt aufgebahrt, von vorne also beste Sicht auf meine Intimzone, und dann kommt die Ärztin rein, im Schlepptau mein Mann.

Natürlich hatten wir uns schon oft nackt gesehen, und natürlich hatte er meine intimste Gegend auch bereits des Öfteren aus nächster Nähe betrachtet. Dennoch weiß ich bis heute nicht, wer schockierter oder überraschter war: er oder ich. 
Ich erstarrte weil ich mir urplötzlich bewusst wurde, wie dämlich diese Position wohl aussehen muss, und er, weil er vermutlich nicht damit gerechnet hatte, mich so exponiert auf dem Untersuchungsstuhl vorzufinden. 
Die Ärztin löste diese eigenartige Situation relativ rasch mit einem: „bitte gehen Sie zum Kopfende, von dort haben Sie auch den besten Blick auf den Ultraschall“ auf. 
Gesagt getan, so stand er dann also neben mir und betrachte verwundert das Untersuchungszimmer. 
Den nächsten Schock hatte er, als er das Ultraschallgerät sah. Er wusste ebenso wenig wie ich, dass der Ultraschall an diesem Tag „von innen“ erfolgen würde. Ich bezweifle sogar, dass er bis zu dieser Minute überhaupt wusste, dass es so was gibt. Man kann sich also die Entgeisterung in seinem Gesicht vorstellen. Es war, als würde die Ärztin plötzlich ein Schlachtmesser in der Hand halten und damit über meinem Bauch herumhantieren. Und erst sein Gesichtsausdruck, als sie das Teil in mich einführte! Ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden, bis die Ärztin schließlich verkündete: 
„Aja, na da kann man ja schon einiges sehen! Das hier ist der Dottersack, und hier, das ist ihr Baby. Es hat momentan eine Größe von ca. 11mm, und sehen Sie hier, das Flattern? Das ist der Herzschlag.“
Stille.
Noch nie hatte mich etwas so dermaßen überwältigt und vor allem vergessen lassen, in welch exponierter Stellung ich mich eigentlich gerade befand. Und auch mein Mann war hin und weg. Tränen liefen mir über das Gesicht, und auch meine bessere Hälfte musste sich offenbar zusammen nehmen, um nicht loszuheulen. Es war ein zauberhafter Moment. All die Übelkeit und das Unwohlsein waren plötzlich Vergangenheit, und wir starrten wie gebannt auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes. 
Wir hatten das also produziert. Betrunken und nichtsahnend, dass der erste Schuss ein Treffer sein würde. Und nun saßen wir gemeinsam hier und ein Mini-mini-Herzlein schlug auf einem Bildschirm, und das aller irrste: in mir drin! Es war ein Wunder.

Nach der Untersuchung wurden noch Blut angenommen und ein paar Tipps gegeben. Vor allem in Bezug auf meine zukünftige Ernährung. Ich möchte hier offiziell feststellen, dass ich meine Frauenärztin spätestens ab dem Zeitpunkt wirklich zu schätzen wusste. Sie sagte Dinge wie:
„Essen Sie was Sie wollen und wonach Ihnen ist! Wenn Sie Marshmallows wollen, dann essen Sie diese! Ihr Körper sagt Ihnen schon, was Sie brauchen.“ 
Oder auch:
„Vertrauen Sie Ihrem Körper. Wenn Sie dies beherzigen, wird es Ihnen auch bald wieder gut gehen“. 
Abschließend erhielt ich noch Schwangerschaftsvitamine und ein Bild des Babys, damit waren wir entlassen. Nächster Termin SSW 12. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg…

Schließlich entschieden wir uns, es zumindest mal den Eltern zu sagen. Dazu gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Meine Schwiegereltern freuten sich in der betont gelassenen und unemotionalen Weise, wie wir es gewohnt sind. Und meine Mutter war das genaue Gegenteil. Sie flippte förmlich aus (dabei hat sie ja schon zwei Enkelkinder) und freute sich wie ein kleines Kind, dass wieder ein Baby in die Familie kommt.

Spannender waren die Reaktionen diverser Freunde und Freundinnen. Und ohne Partei ergreifen zu wollen: mein Freundeskreis ist einfach der coolere. 
Nichts gegen Menschen die am Land aufgewachsen sind, aber an nachfolgenden Geschichten werdet ihr schon erkennen, was ich meine. 
Daher will ich die Antworten meiner FreundInnen auch nur kurz anführen. Meine beste Freundin freute sich gelinde gesagt einen Haxen aus, und versprach sofort, uns mit einer ganzen Menge Kinderspielsachen zu versorgen. Sie sähe das als ihre Lebensaufgabe, als lustige Tante. Und zwar ganz nach dem Motto: je lauter und nervender das Spielzeug für die Eltern, desto besser. Außerdem verlangte sie von mir, sie niemals zu zwingen, meinen Bauch anzufassen. Dinge die sich da drin bewegen, mit Ausnahme von Verdauungsvorgängen, fände sie unheimlich und erinnere sie zu sehr an Aliens. 
Ich kann jetzt schon verraten: ich konnte sie Ende 6. Monat dank dem, wie sich bald herausstellen sollte, megalebhaften Kind in mir, das zudem noch den Drang hatte, sich auch sichtlich bemerkbar zu machen, auf genialste Art und Weise schockieren.

Der Rest des Freundeskreises reagierte, nun sagen wir gemischt, aber alle positiv, auf ihre eigene verschrobene Art und Weise. Eine Freundin brach in Tränen aus und schluchzte:
“Oh mein Gott, erst heiratest du, jetzt bekommst du ein Kind, und ich? Ich werde übrig bleiben….aber ich freue mich so für euch.“ 
Ein anderer Freund meinte gerührt: 
„Jawohl!! Gut gemacht.“ 
Es gab auch die eine oder andere Stimme die meinte: 
„Das ging jetzt aber flott.“ 
Da man das ja nun wirklich nicht verneinen konnte, wurde die „erster Schuss ein Treffer“-Geschichte zum absoluten Renner und veranlasste viele im Freundeskreis, nochmal über ihre mehr oder weniger fraglichen Verhütungsmethoden nachzudenken.

Der Freundeskreis meines Mannes verhielt sich im Gegensatz dazu typisch ländlich. Eine Reaktion wird mir für immer im Gedächtnis bleiben, und nicht nur weil es mir zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon beschissen ging, sondern auch weil ich es bis heute eine bodenlose Frechheit finde, was sich manche Menschen herausnehmen.

Es war bei uns zu Hause, also in meinem eigenen Haus, meinen eigenen vier Wänden. Besagter Freund kam auf einen Sprung vorbei, warum weiß ich nicht mehr. Nachdem wir ihm die frohe Botschaft verkündeten, wollte er zunächst wissen, wie weit ich denn sei, denn „man sollte da ja vorsichtig sein. Denn wenn du es dann doch noch verlierst wäre das ja ziemlich doof, dass ich dir schon zu deinem Glück gratuliert habe“. 
Das war noch nicht das Schlimmste. 
Es folgten ein paar belanglose Kommentare zu Frauen, die die Hälfte ihrer Schwangerschaft im Krankenhaus verbringen musste, Fehlgeburten und anderer wunderbarer Geschichten, die jede werdende Mutter in diesem Stadium unbedingt hören möchte. 
Nachdem diese Tiraden beendet waren, verließ mein Mann kurz das Zimmer um etwas zu holen. 
Besagter Bekannte drehte sich zu mir um und meinte auf eine süffisant machohafte Art und Weise: 
„Na, mit Karriere ist es jetzt auch erstmal vorbei. Jetzt wirst du mal 2 Jahre daheim bleiben und dann kommt vielleicht das zweite Kind…“ 
Ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln und meinte nur: 
„Äh, nein, das glaube ich nicht mein Lieber.“ – 
„Ach so? Na wirst schon sehen…“ – 
„Bei uns bleibt der Mann zu Hause, und ich gehe arbeiten beziehungsweise teilen wir uns die Karenz. Und ich gehe weiterhin meinem Beruf nach.“ – 
„Wie bitte? Du lässt dein Baby alleine daheim? Ich meine, stillen musst du ja auch, mindestens 1 Jahr, am besten länger!“ – 
„Ich MUSS gar nichts, und außerdem ist das Baby nicht alleine sondern bei seinem Vater. Und zwei Jahre bleibt von uns sowieso keiner zu Hause, da wir vorhaben, unser Kind mit 1 Jahr in eine Kindertagesstätte zu geben…“ – 
„So früh wollt ihr das arme Kind schon weggeben?“

Der Dialog ging noch eine Weile in dieser Art und Weise weiter, bis ich schließlich wutentbrannt das Zimmer verließ, nicht ohne froh zu sein, dass besagter Bekannte kurze Zeit später auch das Weite suchte.

Ich war schockiert und wusste nicht genau, wie ich jetzt reagieren sollte. Da kommt ein Mensch zu Besuch und will uns erklären, wie wir gefälligst alles zu machen haben und außerdem, dass das Leben der Frau mit Kindern sowieso vorbei ist, Karriere geht ohnehin nicht und Mann beim Kind zu Hause, na das kommt ja einer Vernachlässigung höchstens Grades gleich. Ich war sprachlos und hatte anschließend zu allem Überfluss auch noch einen handfesten Streit mit meinem Mann. Nicht, weil dieser nicht auf meiner Seite gewesen wäre. Nein, einfach weil ich sauer war, hormongesteuert, mir übel war und offenbar mein Leben jetzt vorbei sein würde. Und vor allem war ich sauer, dass solche Menschen mit meinem Mann befreundet waren.


Außerdem läutete dieser Vorfall eine Phase ein, von der ich in keinem Buch oder Ratgeber jemals zuvor gelesen hatte. Jedenfalls nicht in diesem Ausmaß und dieser Intensität: die Verdrängungsphase.

Die Hochzeitsreise oder Schwangerschaftswoche 5-7

Zwei Wochen Portugal waren gebucht für unsere Flitterwochen. Mit tollem Hotel und eigenem Mietwagen. Viele sportliche Aktivitäten hatten wir geplant und nicht zu vergessen, dass gute portugiesische Essen und der Wein. Den Wein konnte ich mir ja nun leider abschminken, aber das Essen, das würde ich doppelt und dreifach genießen. So war mein Plan. 
Statt „normalem“ Bier trank ich in der ersten Woche des Urlaubs einfach alkoholfreies und fand mich dabei zugegebenermaßen sogar ziemlich kultiviert. Die Mahlzeiten kostete ich von früh bis spät aus. Fisch und Meeresfrüchte in allen Varianten, Fleisch und Gemüseeintöpfe. Ich war kaum satt zu bekommen. Es schmeckte aber auch alles einfach zum niederknien. 
Zusätzlich unternahmen wir viel. Ich fühlte mich topfit und zu allen Schandtaten bereit. Bootsausflüge, Delphin-Watching, schwimmen, Sightseeing, es gab nichts, dass wir nicht sehen und tun wollten, und dank unseres Mietwagens waren wir außerdem unabhängig von allen organisierten Touren und konnten uns den Landstrich „Algarve“ ganz nach unserem eigenen Zeitplan ansehen. 
Sogar mit dem Wetter hatten wir einen Volltreffer gelandet. Die Sonne schien jeden Tag mit angenehmen 26 Grad vom Himmel, und auch die Temperatur des Atlantiks war dank der andauernden Hitzeperiode von 3 Wochen über 40 Grad angenehm warm. Es war also alles in allem perfekt und traumhaft.

Doch auch Urlaubswoche eins folgte Urlaubswoche zwei und damit Schwangerschaftswoche 7. Und damit offenbar eine Radikalumstellung meiner Hormone. 
Es begann damit, dass ich nicht mehr auf dem Bauch schlafen konnte. Nicht etwa, weil mein Bauch bereits zu wachsen begonnen hatte, nein, sondern weil meine Brüste so zu schmerzen begannen, dass ich gar nicht wusste, wohin mit mir. Selbst das eincremen beim und nach dem Duschen wurde die reinste Tortur. Doch das sollte erst der Anfang sein!

Ich erinnere mich noch, dass ich eines Nachts aufwachte, weil mir so dermaßen übel war, dass ich dachte sofort und auf der Stelle direkt neben das Bett kotzen zu müssen. Von wegen Morgenübelkeit! Bei mir kristallisierte sich eine 24-Stunden-Übelkeit heraus!
Nun ist ja das Problem an dieser Schwangerschaftsübelkeit das folgende: sich zu übergeben ist keine Lösung, obwohl es so verlockend und erleichternd scheint! Bei einer Magen- Darm- Grippe ist man ja froh, wenn man alles eimal richtig rauskotzt. Es geht einem danach für zumindest 30 Minuten wieder halbwegs gut. 
Nicht so in der Schwangerschaft. Das ist auch der Grund, warum ich schließlich sehr „geizig“ mit dem zu mir genommenen Essen war. Die Kotzerei war anstrengend, entwürdigend und brachte für nicht einmal 3 Minuten Erleichterung. Dann lieber gleich gar nicht und das bisschen Essen bei mir behalten. Es gab in späterer Folge Situationen, aus denen dann regelrechte „nein, ich geh nicht kotzen“-Kämpfe wurden. Aber dazu später.

Ach ja, und bevor ich es vergesse. Nein, die Übelkeit wurde im Laufe des Tages nicht besser. Wie bereits kurz angeschnitten: sie entwickelte sich zu einer Dauerbegleiterin. Morgens bis abends und in der Nacht. Pause: Fehlanzeige.

Zur Übelkeit gesellte sich ein ungemein großer Widerwille gegen fast alle Lebensmittel. Einige Aversionen waren verständlich, wie Kaffee und Wurstprodukte, andere schlicht und ergreifend mühsam. Dazu gehörten fast alle Brotprodukte, Aufstriche, Fleisch- und Wurstwaren, Getränke (Fruchtsäfte), Tomaten, Champignons, und vieles mehr. Ich kann wirklich nicht alles aufzählen. Meine Tage bestanden also ab der zweiten Urlaubswoche aus dem Kampf, irgendetwas Essbares zu finden, dass meine Übelkeit etwas vertrieb und nicht verstärkte und gleichzeitig meinen Magen angenehm füllen könnte. 
Man macht sich wirklich keine Vorstellung davon, wie schwierig das ist, noch dazu in einem fremden Land. Morgens konnte ich wenigstens am Frühstücksbuffet Obst verschlingen, aber danach wurde es schwierig. Hinzu kam: wenn ich nicht regelmäßig irgendetwas kaute, wurde die Übelkeit unerträglich.

Nicht nur deswegen aber vermutlich auch dadurch wurden meine Stimmungsschwankungen unkontrollierbar. Ich erinnere mich, über einer Tomatensuppe in Tränen ausgebrochen zu sein. Warum, weiß ich gar nicht mehr wirklich. 

Alkohol konnte ich gar nicht mehr riechen, davon wurde mir auf 2 Meter Entfernung schlecht. Nicht einfach für meinen wirklich fürsorglichen Mann. Noch schlimmer war es mit Zigarettenrauch. Vor der Hochzeit hatte ich wieder zu rauchen begonnen, und sofort nach Feststellung der Schwangerschaft aufgehört. Aber dieses Ekelgefühl, dass sich jetzt plötzlich in mir breit machte, wenn ich eine Zigarette auf 10 Meter Entfernung roch, war zum Durchdrehen. Scheinbar rauchen auch mehr Menschen, als mir bis dahin bewusst war, denn überall wo wir spazierten, saßen oder flanierten roch ich dieses widerwärtigen Rauch. 
Das trieb mir im Übrigen auch das eine oder andere Mal die Tränen in die Augen, nicht zu vergessen, dass ich mich beim Frühstück auf der Terrasse mit wildfremden Menschen anlegte, die dachten neben mir gemütlich ihrer morgendlichen Zigarette (vermutlich für beschwerdefreien Stuhlgang) fröhnen zu können. 
Ich bin wirklich keine RaucherInnen-Hasserin. Damals war ich lediglich mit der Situation überfordert. Da werde ich nun mal gerne aggressiv.

Eine, in meinen Augen wesentliche, Veränderung das Sexualleben betreffend hat mir im Vorhinein ebenso keiner gesagt. Genau deshalb muss ich es hier anführen.
Mit der beschriebenen Übelkeit und all den anderen Beschwerden kann man sich lebhaft vorstellen, das Sex nicht unbedingt auf der Tagesordnung stand. Dennoch erinnere ich mich an diese eine Nacht. Ich wachte erschrocken auf, nicht etwa, weil mir wie normal zum Kotzen schlecht war. 
Aber nein. 
Ich hatte einen „feuchten Traum“! Ich wurde quasi vom Orgasmus aufgeweckt. Das hört sich in erster Linie noch ganz fein an. Was mir allerdings niemand sagte war, dass sich durch die vergrößerte Gebärmutter und die verbesserte Durchblutung der Geschlechtsorgane die Kontraktionen der Gebärmutter während des Orgasmus bzw direkt danach regelrecht schmerzhaft anfühlen. Der Bauch wird hart, und man spürt im Detail jeden Zusammenzug der Gebärmutter. Das ganze dauert in etwa 2 Minuten, wobei ich auch schon von Frauen gehört habe, bei denen die Kontraktionen bis zu 20 Minuten dauerten. Also nix von wegen, yeah, ab sofort jede Nacht einmal kommen, im Traum, quasi auf Kommando, ohne viel zu tun. Ich meine, das verdirbt einem wirklich alles!

Ich weiß noch, dass ich im ersten Moment wegen der Schmerzen so erschrocken war, dass ich gar nicht wusste, wie mir passiert und was ich nun tun kann. Mein Mann und ich verbrachten daraufhin den nächsten Morgen damit, dieses Phänomen zu googlen, da ich natürlich eine Heidenangst hatte, das ein Orgasmus nun dem Baby schaden können. 
Ich kann offizielle Entwarnung geben: ein Orgasmus und die dazugehörigen Kontraktionen sind nicht schädlich und außerdem etwas offenbar ganz normales, von dem einfach keiner erzählt.  Vermutlich aus falscher Scham. Oder weil viele schwangere Frauen immer noch dem Mythos glauben, dass man in der Schwangerschaft keinen Sex haben darf.
Wie auch immer, an alle schwangeren Frauen die sexuell aktiv sind: habt weiter eure Orgasmen, lasst euch den Spaß am Sex bloß nicht verderben! 
Auch wenn ich vorhin erwähnt hatte, dass es in dieser Woche für mich einfach andere Dinge gab, die wichtiger war als ständiger Sex: Es sollte bald eine Zeit kommen, in welcher Sexualität wieder einen hohen Stellenwert bekommen und auch uneingeschränkt toll wenn nicht sogar phänomenal sein würde. So eine vermehrte Durchblutung der Geschlechtsteile hat eben auch sein Gutes.