Sonntag, 13. September 2015

Mommy-Wars oder auch Schwiegermama-Wars

Es ist ja fast schon zu abgedroschen, Konflikte mit der Schwiegermutter zu haben. Aus Erzählungen von Freunden und Bekannten kenne ich ja nur zwei voll gültige Varianten: 
a) wir reden gar nicht miteinander/haben den Kontakt abgebrochen/gehen uns aus dem Weg und 
b) ich habe so ein Glück solch eine tolle Schwiegermama zu haben.

So weit so gut. Bis zur Geburt unseres Sohnes dachte ich, ich gehöre wenn dann am ehesten zur zweiten Gruppe, was sich nach der Geburt rasch relativierte und momentan einem neuen Höhepunkt zusteuert.
Schwiegermama, wir wollen sie hier mit Schwimu abkürzen, hat eine ganz andere Sozialisation und damit Kindheit und eigentlich überhaupt Leben erfahren. Und obwohl es immer wirkte als wäre sie ganz zufrieden mit der Wahl ihres Sohnes mich als Ehefrau zu erwählen, scheint sich das Blatt nun zu wenden.
Gestern wurde mir, und eigentlich ALLEN arbeitenden Müttern, vorgeworfen, dass wir dadurch, dass wir nicht zu Hause bleiben, die Selbstaufgabe derer, die in den 80er und 90er Jahren nur für ihre Kinder da waren, verhöhnen und ausspotten und klein machen.

Da haben wir es also wieder. Nicht nur bin ich schuld, wenn sich Mütter meiner Generation schlecht fühlen, weil sie mit ihrem Studium nach Geburt des ersten Kindes nichts mehr anfangen und sich zur Hausfrau entscheiden, nein, ich bin jetzt für die Tränen und das "sich-unwichtig-fühlen" der Generation davor auch noch schuld.
Na bravo.
Als würde der regelmäßige Klaps auf den Hinterkopf vom Staat Österreich, fast allen Bekannten und der Gesellschaft im Allgemeinen nicht schon ausreichen.

Meine Mutter kommentiert sowas dann immer lapidar mit: die sind am Land aufgewachsen, haben keine Wahl gehabt, können nicht anders, meinen es auch nicht böse.
Das mag so sein. Das mag so stimmen. Manche Menschen hatten keine Wahl.
Ich weiß das, ich muss über das nicht ständig nachdenken, mich schlecht fühlen oder vielleicht deshalb meine Entscheidungen an die ERlebnisse der anderen anpassen. UNd überhaupt, wieso immer ICH? Es war nicht MEINE Entscheidung, es war UNSERE Entscheidung. In der heutigen Zeit gibt es Gott sei Dank immer mehr Männer die begreifen, dass zum Vater sein mehr dazu gehört als nur SPrema abzuliefern und nach 8 Jahren dann mal auf einen Zelt-Ausflug zu fahren.
WIR haben uns bewusst entschieden. Und das geht niemanden etwas an.

Ich habe es schon so satt, mich ständig rechtfertigen zu müssen. Mir, wie gestern auch, anhören zu müssen, dass ich als arbeitende Mutter schuld bin, wenn, und ich zitiere "die Arbeit im Land ausgeht weil die Frauen jetzt alle arbeiten gehen", "die Kinder kein Bitte, Danke und Guten Tag, Auf Wiedersehen mehr kennen", "die Kindererziehung keine Wertschätzung mehr erlebt", "die Kinder abgeschoben werden und dann nur noch vor dem TV sitzen".
Ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr.
Wir reißen uns tagtäglich den Arsch auf, um unserem Sohn eine schöne Kindheit zu verschaffen. Mit allem was dazu gehört. Positivem und Negativem. Ja, wir setzen Grenzen, ja wir kuscheln im Bett, ja, wir essen IMMER gemeinsam, ja, Mama geht mal aus, Papa geht mal aus, und ja, verdammt noch mal, wir gehen auch mal gemeinsam als PAAR und nicht als ELTERN aus, fahren auf Urlaub und Kind darf bei Oma bleiben.
Und wisst ihr was? Es tut uns gut, und damit tut es unserem Sohn gut! Er ist ein kleines glückliches Energiebündel, der genau weiß, dass wir auch mal für kurze Zeit weg sind, aber das es andere Menschen gibt, die ihn lieben und sich um ihn kümmern. Er weiß, dass MAma und Papa wieder kommen und dann ausgeglichener und glücklicher sind.
Und wir wissen, wir entscheiden uns für all das bewusst. WIr haben uns bewusst entschieden, dass auch mein Mann eine Zeit Kinderzeit nimmt, weil wir wussten, dass ich zutiefst unglücklich wäre, wenn ich nicht arbeiten dürfte und könnte, und damit eine zutiefst frustrierte Mutter wäre - was wahrlich nicht gut fürs Kind ist.  Und mein Mann wäre zutiefst unglücklich, hätte er nicht die Gelegenheit bekommen, eine zeitlang bei unserem Sohn zu bleiben.
Es ist wie es ist. 
Bitte nicht falsch verstehen. Ich will keine Lanze für alle arbeitenden Mütter brechen. Aber ich habe es satt, unser Konzept ständig verteidigen zu müssen. Es mag Frauen und Familien geben, deren Weg es ist, trotz jahrelanger guter Ausbildung 5 oder mehr Jahre beim Kind zu bleiben. Deren Männer plötzlich nur mehr Überstunden machen "wegen dem Geld" (da fragt isch im übrigen niemand, ob das evenutell Auswirkungen auf das Kind hat. Fremdeln dem Vater gegenüber gehört ja offenbar auch schon wieder zum guten Ton); wo Frau sich "Nicht vorstellen kann auch nur eine Minute getrennt von ihrem Baby zu sein", und die glauben, dass der einzige Weg zu kindlicher Zufriedenheit die permanente Anwesenheit der Mutter ist. Bitte tut das, bitte macht das.
Aber macht uns nicht verantwortlich für eure Selbstwertmangel, eure fehlende Anerkennung und die fehlende Unterstützung.
Lasst uns unseren Lebensweg gehen, und zwar endlich einmal fernab der dummen, verletzenden und unwahren Kommentare und Weisheiten.
Ein Arbeitskollege meinte mal, "das sind alles Hausfrauen- und Küchenfliesenweisheiten". Mag abwertend klingen, aber mittlerweile sehe ich das genauso.
Punkt.

Dienstag, 7. Juli 2015

Offener Brief zur Betreuungsituation in Österreich


Liebe Fr. Karmasin,

 
gleich vorweg möchte ich sagen, dass ich Ihre Bemühungen und Ihre Arbeit prinzipiell nicht schlecht finde. Frischer Wind hat im Familienministerium gefehlt, den bringen Sie hinein.


Leider habe ich oftmals das Gefühl, dass Sie und Ihr Projektteam etwas an der Realität von Otto-Normal-Verbraucher/in vorbei agieren. Viele Problemlagen und Herausforderungen, mit denen sich „neue“ Eltern herumschlagen müssen, finden in Ihren Programmen keine Erwähnung. Vielleicht, weil niemand von Ihnen und Ihren Mitarbeiter/innen betroffen ist/war, vielleicht weil es Ihnen einfach nicht  bewusst ist.


Wir sind eine kleine Familie. Unser Sohn ist 13 Monate alt, ich war acht Wochen im Mutterschutz, die Karenz teilen sich mein Mann und ich: er nahm zehn Monate, ich zwei. Wir haben uns für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entschieden – über die Probleme die wir damit hatten und haben will ich gar nicht erst anfangen. Das war eigentlich die erste „Watschn“. Nicht nur, das mein Anteil gleich mal falsch berechnet wurde, ich durfte mich dann auch noch schief anschauen lassen, weil ich nur zwei Monate Karenz konsumierte und mein Mann den größeren Teil. Österreich eben.

Wie Sie also unschwer erkennen können, bin ich berufstätig (mit 30 Stunden/Woche), mein Mann steigt nach der Karenz ebenso wieder mit 30 Stunden pro Woche ein. Wir teilen uns alles: die Kindererziehung, den Haushalt. Diskussionen wer die Wäsche wäscht und den Geschirrspüler ausräumt gibt es nicht. Es ist selbstverständlich, dass wir gleichwertige Partner/innen sind. Quasi das von den Medien und Ihnen propagierte „Ideal“, nachdem es ja mittlerweile zahlreiche Studien gibt die belegen, dass selbst in Akademiker/innen-Haushalten die Frauen nach der Geburt des Kindes unvermittelt ihre Gleichberechtigung aufgeben und plötzlich ganz Hausfrau sind. Nicht so bei uns. Gleichberechtigung Hurra.

Unser Sohn wurde mit Juni, als er 1 Jahr alt war, in die Kindergruppe eingewöhnt. Ohne Probleme wohlgemerkt, er liebt es dort und ist MO bis FR bis 13 Uhr dort gut aufgehoben. Gott sei Dank, denn eine Auswahl an Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Kinder unter 3 Jahren gibt es bei uns im Bezirk Melk bzw. St. Pölten Land so gut wie nicht. Man muss nehmen was man kriegt. Das war eigentlich die zweite „Watschn“. Über Betreuungsschlüssel bzw. Empfehlungen von Expert/innen dahingehend schaut man ja dann gleich mal hinweg, denn wenn wir darauf Wert gelegt hätten, wäre es das auch schon wieder gewesen mit Kinderbetreuung.

 

Als uns schließlich vorgerechnet wurde, wie viel wir für die Betreuung zahlen müssen, wurde uns schwindelig. Wir haben zwar beide ein oder mehrere Studien abgeschlossen, das garantiert in der heutigen Zeit jedoch noch lange kein 1a Gehalt. Das war also dann  „Watschn“ Nr. 3 dafür, dass wir beide, und ich als Mutter im Speziellen, gerne arbeiten gehen: €285,- pro Monat, unflexibel gestaltet, wir zahlen in Wahrheit 5 Stunden zu viel, anders geht es aber nicht, da die Kindergruppe „nun mal nur Pauschalen ab 7 Uhr anbietet“.

„Watschn“ Nr. 4 kam dann heute morgen, nachdem uns klar gemacht wurde, dass die Pauschale von € 285,- für unseren Sohn nicht mehr zutrifft, da er ja teilweise länger schläft (15-30 Minuten, also bis 1315-1330Uhr) und damit die nächst höhere Pauschale von €325,- fällig wird. Das wir die Betreuung ja eigentlich erst ab 8 Uhr brauchen, ist allen egal, denn wie gesagt: es gibt nur Pauschalen ab 7 Uhr.

Dass Sie diesbezüglich nicht zur Rechenschaft gezogen werden können und sollen, ist uns klar. Jedoch ist das Fass nun zum Überlaufen voll, und daher dieser „Bericht“, diese Stellungnahme an Sie.

Es wird propagiert, die Väter sollen doch in Karenz gehen, Frauen wieder zurück in den Job, die Flexibilität lebe hoch, alle die dies so umsetzen, sind Vorbilder und sollten Werbung dafür machen.

Ganz ehrlich? Wir warten verzweifelt auf den „Schulterklopfer“, auf die Belohnung, die Bestätigung dass wir „toll“ sind und es richtig machen. Denn bisher wurden wir Länge mal Breite nur bestraft.

Förderungen für die Kinderbetreuung sind nur für Menschen mit wenig Einkommen und vielen Kindern vorgesehen. Die maximale Höhe an Einkommen liegt in NÖ bei €2400,- NETTO zu ZWEIT für 1 Kind. Bei aller Liebe, das hat man schnell, und wenn man es nicht schnell hat, braucht man auch keine Kinderbetreuung weil dann die Mama sowieso daheim bleibt.

Setzt man sein Kind einer Gefährdung aus bzw. sieht das Jugendamt es für notwendig an, dass die Kinder auch mal aus der Familie in eine Betreuung kommen, dann wird dies selbstverständlich vom Staat gezahlt.
Das wir unser Kind gut versorgen, nicht misshandeln und das Beste für ihn wollen, das wird in Österreich nicht belohnt. Wir dürfen den vollen Preis bezahlen. Denn, ja, wenn wir das nicht wollen, dann „bleib eben beim Kind“.

Da sind wir dann auch schon beim nächsten Punkt, den man viel zu oft hört: wenn du unzufrieden bist, dann bleib eben daheim: Ein Kind gehört ohnehin zu seiner Mutter.

Das sich Frauen, die nach kurzer Babypause wieder in den Beruf zurück wollen, ein dickes Fell wachsen lassen müssen, davon redet in der Politik auch keiner. Die Anfeindungen, die unterschwelligen Angriffe und die Vorwürfe, die man sich von 75% der Gesellschaft anhören muss, dazu nimmt keiner Stellung. Wie belastend das ist und sein kann, davon will auch keiner etwas wissen.

Schulterklopfer gibt es maximal für die paar Väter, die 2 Monate zu Hause bleiben, schiefe Blicke und Kopf schütteln hagelt es in den meisten Fällen für die Mütter. Ich weiß wovon ich rede, wir „leben diesen Traum“.

 

Was genau ich nun will, liebe Frau Karmasin?

Wir mögen Sie. Wir finden Ihre Ansätze gut.

Aber wie wäre es mit etwas mehr „bottom-up“ anstatt „top-down“? Stellen Sie sich doch ein Team aus Menschen zusammen, die die Probleme, von denen wir hier sprechen, kennen und damit „lebensnahe und authentische“ Projekte in Angriff nehmen können.

Außerdem hätten wir gerne ein bisschen Anerkennung. Dafür, dass wir trotz der unzähligen Steine, die uns in den Weg gelegt werden, auf unserem Weg beharren und uns nicht abbringen lassen. Dafür, dass wir in Wahrheit fast schon in die Falle „working-poor“ tappen, u.a. damit die Gleichberechtigung in der Partnerschaft erhalten bleibt und auch der Papa zu seinem Recht kommt: nämlich Zeit mit seinem Sohn zu verbringen.

Gestalten Sie doch eine Kampagne mal so, wie es ist: Väter sollen nicht in Karenz gehen weil es „schick“ ist oder für „Gleichberechtigung“ sorgt. Nein, sie sollen ohne Probleme in Karenz gehen können, weil es IHR RECHT IST als Vater, und es das Recht der Mutter ist, wieder in einen Beruf einsteigen zu können.


Liebe Fr. Karmasin, ich bin auf Ihre Reaktion gespannt, und habe tatsächlich die kleine Hoffnung, dass dieser offene Brief nicht in der Versenkung verschwindet.

 

Mit den besten Grüßen

 

 

 

Freitag, 3. Juli 2015

Die schlechte Mutter

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit dem wir das spannende Abenteuer "Elternschaft" begonnen haben. Unzählige Dinge sind passiert: lustige, traurige, erstaunliche, wunderbare, unbeschreibliche Dinge.
Zeit für mich, einmal kurz inne zu halten, das Jahr Revue passieren zu lassen und zu einem einzig logischen Schluß zu kommen: ich bin eine schlechte Mutter.
Ja, das ist so. 
Warum? Nun ja, wenn ich mir all die zahllosen Kommentare, Postings, unterschwellig angebrachte Kritik oder auch offen ausgesprochene Meinungen zu unserem Leben zu Herzen und damit ganz ernst nehme, ja, dann bleibt kein anderer Schluß als der, dass ich eine schlechte Mutter bin.
Warum nicht schlechte Eltern?
Nun, ihr müsst wissen, als Mama hat man eine ganz spezielle Rolle über. Als Vater ist man da ein bißchen außen vor. Da bekommt man Schulterklopfer und ein "Toll, dass du das alles machst" wenn du einmal Windel wechselst und/oder Wäsche wascht. Das ist als Frau und Mutter ja quasi Grundvoraussetzung.
Wenn dein Kind mit einem Jahr in die Kindergruppe eingewöhnt wird sagt keiner: "Ach, weil ihr beide arbeitet."
Nein.
Stattdessen: "Ach, ja, die Mutter, die wollte unbedingt wieder arbeiten. Jaja, in der heutigen Zeit, da darf man ja nicht einmal mehr ein paar Jährchen beim Kind bleiben, eine Schande ist das."
Auch so ein Klassiker: die Schuld hat, egal wie man es dreht und wendet, am Ende immer die Mutter.
Alle "Profis" (=Menschen mit Kindern) wissen: ein Lebensjahr, manchmal sogar ein Lebensmonat eines Kindes ist von Phasen geprägt. Einmal bleibt er/sie ganz ruhig liegen beim Wickeln, fast schon veträumt, einmal kann man ihn/sie nicht einmal mehr wirklich ausziehen weil das kleine Energiebündel einfach wichtigeres zu tun hat als die bis zum Rand vollgeschissene Windel entfernt zu bekommen. "Keine Zeit Mama". Hach, wenn sie doch mit einem Jahr schon volle Sätze sagen könnten.....
Jedenfalls. Phasen.
Unserer wechselt sich ab in Mama- und Papaphasen. Einmal ist Papa das einzige was Kind braucht, einmal Mama. Wir als Eltern sehen das mittlerweile ziemlich gelassen. So ist das halt. Nach einer mehrwöchigen "Nur-Papa" Phase folgte bislang immer eine mehrwöchige "Nur-Mama" Phase. Dazwischen manchmal sogar eine "ihr-seid-eh-beide-gleich-wichtig" Phase.
Das man sich als Eltern damit arrangiert heißt aber nicht, dass die Umwelt das auch tut. Im Gegenteil. Jede Phase wurde und wird genau unter die Lupe genommen, analysiert und dann ausgewertet. Ergebnis: dreimal dürft ihr raten.
Ja richtig! Man ist eine schlechte Mutter.
Zitat: "Naja, eh klar dass er gerade so an der Mama hängt. Was man so selten hat, das will man halt dann die ganze Zeit wenn es endlich mal da ist."
Zitat drei Monate davor, Papa-Phase: "Naja, eh klar dass er so am Papa hängt. Die Mama ist ja nie daheim."
Man sieht: als arbeitende Frau und Mutter hat man immer die Arschkarte.
Da nutzen auch nett gemeinte Ratschläge des Ehegatten "Ach komm, die wissen es halt nicht besser" (mit einem süffisanten Grinser untermalt, da er ja wieder mal der Held ist) nichts. Ehestreit ist in diesem Kommentar-Paket übrigens gratis mit dabei.

Ich liebe ja meine beste Freundin für ihre immer wieder passenden Kommentare in Anwesenheit diverser Familienmitglieder, für welche die Tatsache, dass Mama arbeiten geht ja eigentlich für eine schwere Sinnkrise sorgt und gänzlich unverständlich ist.
Zitat auf den Kommentar, dass 1-jähriges Kind von uns noch keinen Zucker bekommt und die damit einhergehende Unverständnis sämtlicher anwesender Omas:
"Naja, dass du eine schlechte Mutter ist wissen wir ja eh schon lange. **Augenzwinkern** ".
Die Stille am Tisch hätte man aufnehmen müssen. Genial. Unbezahlbar.
Sogar meinem Mann kam ein Grinser aus.

Aber das schlechte-Mama-Sein beginnt ja schon bei der Geburt.
Ich habe ja leider die Angewohnheit, sehr direkt, offen und ehrlich über solch einschneidene Erlebnisse wie eben eine Geburt zu sprechen. Zwar nur nach Aufforderung (ganz ehrlich, vor allen unter kinderlosen Freunden gibt es einfach viel bessere Geschichten), aber trotzdem. Spätestens seit dem letzten ehrlichen Bericht weiß ich: Ehrlichkeit kommt nicht gut an.
Und nein, es ging nicht um Schmerzen, Dammschnitte, Schreie, Blut oder sonstige Späße. Die simple Herausforderung war es, auf die Feststellung: "Hast dich auch ein solches Freuden- und Glücksgefühl durchströmt, als sie dir das Baby dann auf den Bauch gelegt haben?"
Die erwartete Antwort war offenbar:
"Ja, ich hab mich gar nicht eingekriegt vor lauter Glückshormonen und habe in diesem Moment endlich meine Bestimmung gefunden: Mutter zu sein, mein Kind zu nähren und nie wieder etwas anderes zu tun."
Die Wahrheit ist, und somit auch meine Antwort:
"Nein. Ich kann mich erinnern, dass mein Mann in Tränen ausgebrochen ist und ich, eigentlich untypisch unsensibel kommentierte: du weinst ja. "
Der war daraufhin empört und schluchzte vor Glück vor sich hin, während ich meinen Sohn auf meiner Brust liegen hatte und mir eigentlich gar nix dachte. Außer: wie geht das jetzt weiter? Werde ich genäht, wenn ja, wie, mit Narkose, ohne, wie lange muss ich noch hier liegen, eigentlich hab ich Hunger, und Durst, und will in ein richtiges Bett."
Ja, mit solchen Wahrheiten kann kaum einer umgehen. Die Welt erwartet ja quasi, dass man nach der Geburt vor lauter Freude zerspringt. Ich kann jetzt verstehen, dass Frauen die tatsächlich an einer postpartalen Depression leiden, sich nicht trauen, das jemandem anzuvertrauen und sich Hilfe zu holen. Zu hoch ist der Druck, eine "echte Mama" zu sein, und die ist man in den Augen der Gesellschaft halt nur, wenn man vor Glück zerspringt.

Ich hatte keine solche Depression. Ich bin auch nicht eiskalt. Ich konnte nur noch nie etwas mit kleinen Babys anfangen, habe nie verstanden warum man in fremde Kinderwägen reinfasst mit den Worten "ach ist der/die süüüüüüüüüüüüüüß".
Ich liebe meinen Sohn. Seit der ersten Minute. Aber die Wahrheit ist, dass ich die ersten Monate nicht vor Glück zerplatzt bin.
Ich war müde, ich war geschafft, ich war glücklich und zu Tode traurig. Ich habe gelacht, geweint, geflucht, geschrien, alleine auf der Couch geschlafen, nachts in der Küche alleine am Küchenboden gehockt und geweint, und als ich nicht mehr wollte, abgestillt.
So war das.
Ich bin eine schlechte Mutter.

Vorgestern hatte ich meinen exklusiven Sohnemann-und-Mama-Nachmittag. Er spielte selig vor sich hin, lief umher, dazwischen murmelte er Singe vor sich hin, sah mich immer wieder an. Dann kam er auf mich zu umarmte mich, legte seinen Kopf auf meine Schulter und hielt für 5 Sekunden in dieser Position inne. Ich habe ihn ebenso umarmt, ihm einen Kuß auf den Kopf gegeben und geflüstert: "ich hab dich so unendlich lieb und bin so stolz auf dich."
Noch bevor der Satz zu Ende gesprochen war, war er schon wieder auf und davon mit seinen Spielsachen spielen oder die Katze jagen, ich weiß es nicht mehr genau.
Was ich allerdings weiß: mir liefen Tränen die Wange runter und mein Herz ging mir auf.
Diese Liebe ist nicht erklärbar.

Vielleicht haben das manche Mütter bereits bei der Geburt. Vielleicht nach ein paar Wochen, vielleicht erst nach ein paar Jahren.
Fest steht: wir sind alle anders, unsere Empfindungen, unsere Erlebnisse, unsere Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Und das ist gut so.

Und ich? Ich bin eine gute, nein, ich bin eine tolle Mutter.
Mein Sohn ist ein glücklicher kleiner Mann, der mit jedem Tag unabhängiger wird und seine Mama damit jeden Tag ein bißchen stolzer.
Ich möchte zum Abschluß einen ganz lieben Kollegen zitieren (war mit drei Kindern in Langzeitkarenz), der vor kurzem meinte:
"Also eigentlich kann man bei Kindern nicht viel falsch machen. Man muss sie einfach nur lieben, aber das tut man im Normalfall ja sowieso."

In diesem Sinn....


Mittwoch, 28. Januar 2015

Kampf der Mütter - Vorsicht! Giftig!


Alter des Kindes: 8 Monate und ein paar zerquetschte
Status der Eltern: Vater zu Hause in Karenz, Mutter erwerbstätig

Unser kleiner ist ja jetzt schon 8 Monate alt. In diesen 8 Monaten konnten wir nicht nur erfahren was es heißt Eltern in einem scheinbar vollkommen konservativen Land zu sein, wir dürfen auch tagtäglich den Machtkampf von Eltern bzw. Müttern miterleben.
Ein Kampf, der eigentlich nicht gewonnen werden kann und mich nun endgültig zur Rage und zum Schreiben dieses Beitrages inspiriert hat.
Ich finde ja, man kann alles übertreiben. Wenn es um die vermeintliche Gesundheit und die vermeintlich beste Strategie ein Kind aufzuziehen und ihm Bindungsfähigkeit quasi mitanzueignen geht, sind die Methoden und Ratschläge ja grenzenlos.
Fängt an beim Stillen. Mittlerweile bin ich ja am Überlegen, eine Gruppe für Mütter, die NICHT stillen wollen/können/dürfen/sollen zu gründen, damit auch diese endlich eine eigene Lobby bekommen. Nichts gegen das Stillen an sich. Natürlich ist „es das Beste für das Kind“ und sowieso und überhaupt. Es liegt mir mehr als fern, die ganzen Sprüche der Werbung, der diversen Beratungsgruppen, Hebammen und ÄrztInnen wiederzugeben. Nein. Es ist halt nur so, dass man einfach alles übertreiben kann. Da wird man als Mutter von giftigen Blicken gestraft und vom Arzt und überhaupt allen Menschen die glauben sie wüssten es besser, mit riesigen Augen angegafft und mit Worten gestraft, wenn man auch nur ansatzweise laut darüber nachdenkt, nach 3-4 Monaten abzustillen.
„Bist du dir sicher? Aber die Mutter-Kind-Bindung! Und die Gesundheit deines Babys! Es ist das natürlichste der Welt!“

Wenn man dann noch offenbart, dass man bereits seit das Baby zwei Wochen alt ist abends ein Fläschen gibt, damit auch der Vater eine andere Partizipationsrolle hat als nur Windeln zu wechseln, dann stockt so manchem doch glatt der Atem. Da wird einem was von Saugverwirrung, Lieblosigkeit und Herzlosigkeit vorgesungen und man selbst hat Mühe und Not, sich ob der vielen negativen Kommentare noch als halbwegs gute Mutter zu fühlen. 
Nein, tut mir leid, ich korrigiere. In den Köpfen so mancher Frau hat man ja die „gute Mutter Rolle“ abgelegt, sobald man nicht mehr stillt, sich einen Kinderwagen zulegt, das Baby ein eigenes Bettchen bekommt und man sich eine Gehschule zulegt. Warum? Hier ein kleiner Auszug:

Ad Kinderwagen: 
„nur Tragen ist das Beste! Im Kinderwagen fühlt sich dein Baby doch verlassen. Als würdest du es weglegen…“
Na freilich. Liebe „Gut-Mütter“: warum schläft mein Kind dann am allerbesten, wenn wir draußen spazieren gehen und er im Kinderwagen liegt? Warum brüllt er nicht wie am Spieß herum, wenn ich ihn in den Kinderwagen lege, sondern hat ein Lächeln auf dem Gesicht, weil er weiß, jetzt wird „geschunkelt und spazieren gegangen“? Vermutlich, weil er keine andere Chance hat, er muss sich halt damit abfinden, dass wir ihn einfach weglegen. Armes Kind. Böse Eltern. Und ja, das ist zynisch.

Ad Abstillen:
„du verweigerst deinem Kind das Beste und gesündeste!“ 
„Eigentlich riskierst du die Gesundheit deines Babys.“
„Stillen bis das Baby 2-3 Jahre alt ist, ist das einzig wahre.“
Nein, ich bin keine Stillgegnerin. Ich selbst habe voll gestillt bis mein Sohn 3 Monate alt war. Dann war‘s genug. Als er vier Monate alt war begann ich wieder zu arbeiten, und so habe ich das Abstillen sehr langsam über einen Monat „vollzogen“. Und niemand war unglücklich dabei. Weder mein Sohn noch ich, noch mein Mann, noch sonst irgendwer, den das irgendwas angehen würde.
Einige meiner Freundinnen mit Babys haben länger gestillt, teilweise bis das Kind fast zwei Jahre alt war. Jedoch mit Maß und Ziel. Soll heißen, einmal am Tag, abends, vor dem Schlafengehen, und gut war’s. Leider gibt es Menschen, die tatsächlich denken, alle Liebe flöße durch ihre Brüste. Die den ganzen Tag ihrem zweijährigen Kind quasi unbeschränkten Zugang zu ihren Brüsten gewähren. Wo dann Sätze wie „Mama, Busen!“ fallen. Tut mir leid, aber ich finde das verstörend. Es gibt tatsächlich Menschen in meinem näheren Umfeld, deren Brüste ich genauer kenne als ihre Hobbies.
Ja, ich habe früh abgestillt, und ehrlicherweise bin ich wirklich froh, meine Brüste wieder für mich selbst zu haben. Ich bin nämlich mehr als „nur Mama“, ich bin auch noch eine stinknormale Frau, eine Ehefrau und eine arbeitende Frau, und mein Leben steht nicht plötzlich auf Stillstand, nur weil wir ein Kind in die Welt gesetzt haben.
Viele Studien belegen: „die Zufriedenheit der Mutter ist ausschlaggebend für die Zufriedenheit ihres Kindes“. Na bitte, da haben wir’s. Seit wann hat denn „bedingungslose Aufopferung etwas mit Zufriedenheit zu tun?

Ad Schnuller:
„Davon wird dein Kind Zahnfehlstellungen bekommen.“
„Kinder die sich an einen Schnuller gewöhnt haben, beginnen später zu sprechen. Die haben ja ständig etwas im Mund….“
Ich will dazu gar nicht viel sagen. Nur das eine: wie kann es sein, dass ALLE Kinder meiner Freundinnen bereits mit eineinhalb Jahren teilweise ganze Sätze sprechen, trotz Schnuller, und andere Kinder, die weit älter sind, nicht mal „Mama“ sagen können, obwohl sie nie einen Schnuller bekommen haben. Immer nur Brüste. Vielleicht hatten die den Mund auch zu voll? Oder aber es wird wieder Mal Aufmerksamkeit bzw. Liebe geben und totale Selbstaufgabe durch ewiges Stillen und ständiges Tragen im Tragetuch verwechselt.

Ad Gitterbett:
„Am besten ist halt einfach das Familienbett. Das Kind also so lange wie möglich bei sich im Bett schlafen lassen. Sonst fühlt es sich auch einsam und verlassen.“
Ehrlicherweise nehmen auch wir unser Kind ab und an zu uns ins Bett. In die Mitte. Aber prinzipiell schläft er im eigenen Bett. Und da schläft er gut. Er schläft dort ein, ohne Probleme, ohne Schreierei und ja, selbstständig. Ohne davor an der Brust einzuschlafen. Er schläft sogar am besten und leichtesten ein, wenn man ihn ins Bettchen hineinlegt, einfach nur daneben sitzt und „da ist“.
Ehrlich, ich habe nichts dagegen, das Kind im eigenen Schlafzimmer schlafen zu lassen. Aber Familienbett bis das Kind 6 Jahre alt ist? Echt jetzt? Muss das sein? Geht das nicht ein bisschen zu weit?

Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere „Unarten“ anführen, die uns und „Otto-Normalverbraucher-Eltern“ oft unterstellt wird: Gehschule, Brei essen, und vieles mehr.

Aber für heute reicht’s. Wie gesagt, ich werde jetzt eine Nicht-Still-Gruppe gründen. Für alle Eltern (nicht nur Mütter), die gerne auch mal ihren Hausverstand einsetzen, sich nicht durch diverse FanatikerInnen beeinflussen lassen wollen und sich neben dem Eltern-Sein auch noch eine eigenständige Persönlichkeit bewahrt haben. 
Denn man darf nicht vergessen: Kinder bekommen immer mit, wie es den Eltern geht, ob es ihnen gut geht, oder ob es ihnen schlecht geht. 

Da werfe ich doch glatt noch eine letzte Frage in den Diskurs: ob man tatsächlich so happy ist, wenn man sich 100% aufgibt um fürs Kind da zu sein und vergisst, dass es da noch eine andere Ebene gibt? Nämlich die des Paars-Seins? Des Mensch seins? Ob man nicht in die Illusion eines vermeintlichen Glücklich-Seins abrutscht, wenn nebenbei die eigene Partnerschaft flöten geht, weil sich die Welt nur noch ums Eltern sein dreht und es keinerlei Paar-Sein mehr gibt?


Nein, wir, mein Mann und ich, machen nicht alles richtig, wir machen viele Fehler. Aber das ist ok, denn es ist menschlich. Die perfekten Eltern gibt es nicht. Und das ist gut so. Denn ein Mensch sollte auch als Kind schon lernen, dass wir alle Wesen mit Ecken und Kanten, mit Fehlern und Macken sind. Und dass das gut so ist.