Es war ein Sonntag. Ich war bereits aufgestanden gewesen, hatte Tee
getrunken, eine Kleinigkeit gegen die unaufhörliche Übelkeit gegessen, den
leichten Kopfschmerz bemerkt, Musik gehört und mich gefragt, wie schlimm das
Kopfweh heute wohl noch werden würde und ob ich nach dem Mittagessen kotzen würde
oder nicht.
Dann war er auf einmal da. Der Gedanke, das Gefühl, ja die
Gewissheit: ich will nicht mehr.
Ich stand wie paralysiert auf, ging wieder zurück ins Bett, kuschelte
mich unter die Decke und begann zu schluchzen und zu weinen.
Mein Mann
realisierte erst ein paar Minuten später, dass ich aus dem Schlafzimmer wohl
nicht mehr zum Frühstückstisch zurückkehren würde. Keine Ahnung was in ihm wohl
vorgegangen sein mag, als er mich so sah.
Was in mir vorging wusste ich dagegen
ganz genau. Ich wollte nicht mehr schwanger sein. Ich hatte es satt. Ich war
müde, ausgelaugt, mir war übel, ständig hatte ich Kopfschmerzen, die Menschen
rund um mich herum sahen in mir nur noch „die Schwangere“. Nicht mehr den
Menschen, die Freundin, die qualifizierte Frau. Ich wurde reduziert, und zu
allem Überfluss wurde mir auch noch suggeriert, dass ich ab sofort nur noch
Mutter sein würde.
Meine Beziehung würde den Bach runter gehen, mein Körper
ausgeleiert und unansehnlich werden. Meine Karriere würde sich in Luft
auflösen, mein Leben würde sich nur noch um die Themen „stillen, wickeln und
Babykram im allgemeinen“ drehen, Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten waren
für immer und ewig abgeschrieben, genauso wie hemmungsloser, guter Sex und Zeit
für meinen Mann und/oder mich selbst.
Ja, mein Leben war mal eben so vorbei.
Das sagten sie mir alle. Das hörte ich von allen. Sonst nichts.
Das Rauschen in
meinem Kopf wurde unerträglich laut, ich konnte regelrecht fühlen, wie
schwabbelig mein Bauch und mein Busen sein würden, sah mein Leben an mir vorbei
ziehen und wäre am liebsten einfach abgehauen.
Mein Mann saß hilflos neben mir und fragte unschuldig: “was ist denn
los?“
Meine genaue Reaktion weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Aber ich
weiß, dass ich mich abdeckte und ihm all das an den Kopf warf. Dass seine
Freunde Idioten seien, das mein Leben vorbei wäre, dass er gut reden hätte und
stolz herum laufen könnte, denn er würde nicht ausgeleiert und musste nicht ein
Baby an seinem Busen stillen, weil es nämlich die Gesellschaft so verlangte. Er
wäre nicht die Rabenmutter, weil man das Kind in eine KITA geben möchte, er
wäre nur derjenige, der eine Affäre hätte, weil er es daheim nicht mehr aushalten
würde mit seiner ausgeleierten Frau mit Hängebusen, die keine Karriere mehr hat
und nur noch über vollgeschissene Windeln und das beste Kinderwagenmodell
sprechen konnte.
An irgendeiner Stelle war ich wohl aufgesprungen und hatte lauthals
gebrüllt, dass ich nicht mehr wolle. Das es reiche. Das ich keine Lust darauf
hätte, und einfach nicht mehr will.
Er wollte mich trösten, aber das konnte er nicht. Er hätte es so oder so
nicht gekonnt, egal was er gesagt oder getan hätte. Das war mein Kampf, mit dem
er in Wahrheit gar nichts zu tun hatte.
An einem Punkt starrte er mich an und
schrie: „Willst du jetzt abtreiben?“ und auf eine schockierende Weise war ich in diesem
Moment nicht sicher, ob ich das nicht wirklich wollte.
Ich weiß, es hört sich schrecklich an. Vielleicht denkt sich jetzt die
eine oder andere: oh mein Gott, was ist diese Frau bloß für ein Psychowrack.
Dennoch bin ich mir sicher, dass sich einige von euch in meinen
Schilderungen wiederfinden werden.
Diese Phase war hart und ich ging an meine Grenzen. Ich saß eine Woche
nach diesem Vorfall bei meiner Gynäkologin und brach in Tränen aus. Meine
Mutter rief ich an um ins Telefon hineinzubrüllen, dass sie ja sowieso keine
Ahnung hätte was ich durchmachen würde.
Doch meine Mutter hatte eine Ahnung und
nahm meine Ausbrüche gelassen und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit hin.
Vor
allem lernte ich von ihr das Eine: grenze dich in der Schwangerschaft ab. Mach
die Dinge, wie sie für dich selbst gut sind. Kein Ratgeber der Welt und auch
keine andere Mutter der Welt kann dir sagen, was für dein Baby, deine Ehe oder
dich das Beste ist. Es wird immer Menschen geben, die glauben sie wissen es
besser, die dir Tricks und Tipps geben wollen und es vermutlich gut meinen
damit. Aber sie machen es in den meisten Fällen nicht besser. Hör auf deinen
Instinkt. Menschen, die nicht gut sind für dich (und das findet man in einer
Schwangerschaft schneller heraus als einem lieb ist): meide sie.
Diese Phase zu überwinden war nicht einfach, und es konnte mir auch
niemand damit helfen. Meinem Mann sagte ich, dass ich ab sofort nicht mehr über
die Schwangerschaft reden wollte, und dass er dies zu akzeptieren habe. Er tat
dies und ich weiß jetzt, wie schwer ihm das damals fiel. Aber anders hätte es für mich
nicht funktioniert. Ich musste dieses Dilemma mit mir selbst ausmachen. Alle,
die mit mir über die Schwangerschaft reden wollten, blockte ich ab. Mit einigen
Freundinnen tauschte ich mich via Mail über meinen Zustand aus, und das fiel
mir bedeutend leichter als das persönliche Gespräch. Ich konzentrierte mich auf
meine Arbeit, und das war auch notwendig, denn wie sich herausstellte wartete genau in dieser furchtbaren Phase die nächste Hürde auf mich....
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