Alter des
Kindes: 8 Monate und ein paar zerquetschte
Status der
Eltern: Vater zu Hause in Karenz, Mutter erwerbstätig
Unser kleiner
ist ja jetzt schon 8 Monate alt. In diesen 8 Monaten konnten wir nicht nur
erfahren was es heißt Eltern in einem scheinbar vollkommen konservativen Land
zu sein, wir dürfen auch tagtäglich den Machtkampf von Eltern bzw. Müttern
miterleben.
Ein Kampf,
der eigentlich nicht gewonnen werden kann und mich nun endgültig zur Rage und
zum Schreiben dieses Beitrages inspiriert hat.
Ich finde ja,
man kann alles übertreiben. Wenn es um die vermeintliche Gesundheit und die
vermeintlich beste Strategie ein Kind aufzuziehen und ihm Bindungsfähigkeit
quasi mitanzueignen geht, sind die Methoden und Ratschläge ja grenzenlos.
Fängt an beim
Stillen. Mittlerweile bin ich ja am Überlegen, eine Gruppe für Mütter, die
NICHT stillen wollen/können/dürfen/sollen zu gründen, damit auch diese endlich
eine eigene Lobby bekommen. Nichts gegen das Stillen an sich. Natürlich ist „es
das Beste für das Kind“ und sowieso und überhaupt. Es liegt mir mehr als fern,
die ganzen Sprüche der Werbung, der diversen Beratungsgruppen, Hebammen und
ÄrztInnen wiederzugeben. Nein. Es ist halt nur so, dass man einfach alles
übertreiben kann. Da wird man als Mutter von giftigen Blicken gestraft und vom
Arzt und überhaupt allen Menschen die glauben sie wüssten es besser, mit riesigen
Augen angegafft und mit Worten gestraft, wenn man auch nur ansatzweise laut
darüber nachdenkt, nach 3-4 Monaten abzustillen.
„Bist du dir
sicher? Aber die Mutter-Kind-Bindung! Und die Gesundheit deines Babys! Es ist
das natürlichste der Welt!“
Wenn man dann
noch offenbart, dass man bereits seit das Baby zwei Wochen alt ist abends ein
Fläschen gibt, damit auch der Vater eine andere Partizipationsrolle hat als nur
Windeln zu wechseln, dann stockt so manchem doch glatt der Atem. Da wird einem
was von Saugverwirrung, Lieblosigkeit und Herzlosigkeit vorgesungen und man
selbst hat Mühe und Not, sich ob der vielen negativen Kommentare noch als
halbwegs gute Mutter zu fühlen.
Nein, tut mir leid, ich korrigiere. In den
Köpfen so mancher Frau hat man ja die „gute Mutter Rolle“ abgelegt, sobald man
nicht mehr stillt, sich einen Kinderwagen zulegt, das Baby ein eigenes Bettchen
bekommt und man sich eine Gehschule zulegt. Warum? Hier ein kleiner Auszug:
Ad
Kinderwagen:
„nur Tragen ist das Beste! Im Kinderwagen fühlt sich dein Baby
doch verlassen. Als würdest du es weglegen…“
Na freilich.
Liebe „Gut-Mütter“: warum schläft mein Kind dann am allerbesten, wenn wir
draußen spazieren gehen und er im Kinderwagen liegt? Warum brüllt er nicht wie
am Spieß herum, wenn ich ihn in den Kinderwagen lege, sondern hat ein Lächeln
auf dem Gesicht, weil er weiß, jetzt wird „geschunkelt und spazieren gegangen“?
Vermutlich, weil er keine andere Chance hat, er muss sich halt damit abfinden,
dass wir ihn einfach weglegen. Armes Kind. Böse Eltern. Und ja, das ist
zynisch.
Ad Abstillen:
„du
verweigerst deinem Kind das Beste und gesündeste!“
„Eigentlich riskierst du die
Gesundheit deines Babys.“
„Stillen bis
das Baby 2-3 Jahre alt ist, ist das einzig wahre.“
Nein, ich bin
keine Stillgegnerin. Ich selbst habe voll gestillt bis mein Sohn 3 Monate alt
war. Dann war‘s genug. Als er vier Monate alt war begann ich wieder zu
arbeiten, und so habe ich das Abstillen sehr langsam über einen Monat
„vollzogen“. Und niemand war unglücklich dabei. Weder mein Sohn noch ich, noch
mein Mann, noch sonst irgendwer, den das irgendwas angehen würde.
Einige meiner
Freundinnen mit Babys haben länger gestillt, teilweise bis das Kind fast zwei
Jahre alt war. Jedoch mit Maß und Ziel. Soll heißen, einmal am Tag, abends, vor
dem Schlafengehen, und gut war’s. Leider gibt es Menschen, die tatsächlich
denken, alle Liebe flöße durch ihre Brüste. Die den ganzen Tag ihrem
zweijährigen Kind quasi unbeschränkten Zugang zu ihren Brüsten gewähren. Wo dann
Sätze wie „Mama, Busen!“ fallen. Tut mir leid, aber ich finde das verstörend.
Es gibt tatsächlich Menschen in meinem näheren Umfeld, deren Brüste ich genauer
kenne als ihre Hobbies.
Ja, ich habe
früh abgestillt, und ehrlicherweise bin ich wirklich froh, meine Brüste wieder
für mich selbst zu haben. Ich bin nämlich mehr als „nur Mama“, ich bin auch
noch eine stinknormale Frau, eine Ehefrau und eine arbeitende Frau, und mein
Leben steht nicht plötzlich auf Stillstand, nur weil wir ein Kind in die Welt gesetzt
haben.
Viele Studien
belegen: „die Zufriedenheit der Mutter ist ausschlaggebend für die
Zufriedenheit ihres Kindes“. Na bitte, da haben wir’s. Seit wann hat denn
„bedingungslose Aufopferung etwas mit Zufriedenheit zu tun?
Ad Schnuller:
„Davon wird
dein Kind Zahnfehlstellungen bekommen.“
„Kinder die
sich an einen Schnuller gewöhnt haben, beginnen später zu sprechen. Die haben
ja ständig etwas im Mund….“
Ich will dazu
gar nicht viel sagen. Nur das eine: wie kann es sein, dass ALLE Kinder meiner
Freundinnen bereits mit eineinhalb Jahren teilweise ganze Sätze sprechen, trotz
Schnuller, und andere Kinder, die weit älter sind, nicht mal „Mama“ sagen
können, obwohl sie nie einen Schnuller bekommen haben. Immer nur Brüste.
Vielleicht hatten die den Mund auch zu voll? Oder aber es wird wieder Mal
Aufmerksamkeit bzw. Liebe geben und totale Selbstaufgabe durch ewiges Stillen
und ständiges Tragen im Tragetuch verwechselt.
Ad Gitterbett:
„Am besten
ist halt einfach das Familienbett. Das Kind also so lange wie möglich bei sich
im Bett schlafen lassen. Sonst fühlt es sich auch einsam und verlassen.“
Ehrlicherweise
nehmen auch wir unser Kind ab und an zu uns ins Bett. In die Mitte. Aber prinzipiell schläft er im eigenen Bett. Und da schläft er
gut. Er schläft dort ein, ohne Probleme, ohne Schreierei und ja, selbstständig.
Ohne davor an der Brust einzuschlafen. Er schläft sogar am besten und
leichtesten ein, wenn man ihn ins Bettchen hineinlegt, einfach nur daneben
sitzt und „da ist“.
Ehrlich, ich
habe nichts dagegen, das Kind im eigenen Schlafzimmer schlafen zu lassen. Aber
Familienbett bis das Kind 6 Jahre alt ist? Echt jetzt? Muss das sein? Geht das
nicht ein bisschen zu weit?
Ich könnte
jetzt noch zahlreiche weitere „Unarten“ anführen, die uns und „Otto-Normalverbraucher-Eltern“
oft unterstellt wird: Gehschule, Brei essen, und vieles mehr.
Aber für
heute reicht’s. Wie gesagt, ich werde jetzt eine Nicht-Still-Gruppe gründen.
Für alle Eltern (nicht nur Mütter), die gerne auch mal ihren Hausverstand
einsetzen, sich nicht durch diverse FanatikerInnen beeinflussen lassen wollen
und sich neben dem Eltern-Sein auch noch eine eigenständige Persönlichkeit
bewahrt haben.
Denn man darf nicht vergessen: Kinder bekommen immer mit, wie es
den Eltern geht, ob es ihnen gut geht, oder ob es ihnen schlecht geht.
Da werfe
ich doch glatt noch eine letzte Frage in den Diskurs: ob man tatsächlich so
happy ist, wenn man sich 100% aufgibt um fürs Kind da zu sein und vergisst,
dass es da noch eine andere Ebene gibt? Nämlich die des Paars-Seins? Des Mensch
seins? Ob man nicht in die Illusion eines vermeintlichen Glücklich-Seins
abrutscht, wenn nebenbei die eigene Partnerschaft flöten geht, weil sich die
Welt nur noch ums Eltern sein dreht und es keinerlei Paar-Sein mehr gibt?
Nein, wir, mein Mann und ich, machen nicht alles richtig, wir machen viele Fehler. Aber das ist ok, denn es
ist menschlich. Die perfekten Eltern gibt es nicht. Und das ist gut so. Denn ein
Mensch sollte auch als Kind schon lernen, dass wir alle Wesen mit Ecken und
Kanten, mit Fehlern und Macken sind. Und dass das gut so ist.